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Michal Strychowski, Liv Stapelfeldt, Antifuchs, Thea Rasche. Foto: © Arno Declair
Michal Strychowski, Liv Stapelfeldt, Antifuchs, Thea Rasche. Foto: © Arno Declair
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Vernebelte Trap-Oper – Uraufführung von „cloud*s*cape“ in der Bühne 2 des Münchner Volkstheaters

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War es auch im antiken griechischen Theater schon so? Denn bei der Wiederbelebung als „Oper“ am Beginn unserer Neuzeit spukte die Idee des Gesamtkunstwerks durch Formen, Stile und Werke und seither weiter: Da kam der Höhepunkt mit Wagner und letztlich zielt ein Abend mit „Rammstein“ auf das Gleiche. Da auch die kleinere Bühne des neuen Volkstheaters fast alle Wünsche der Macher erfüllen kann, gingen sie in die Vollen Richtung Gesamtkunstwerk.

Vor allem anderen beherzigten Autor und Dramaturg Tobias Frühauf, Komponist Michael Wist und speziell Regisseur Philipp Wolpert ein Bühnenmittel: „Nebel ist immer gut“. Also waberte es die pausenlosen achtzig Minuten lang vom Land Rover links über auf- und abfahrende Podien hin zur Screen-Assemblage rechts, durch Baugerüste im Hintergrund bis hinauf an die Glasfront des Herrschaftszentrums von Dr. Kassler, dem Boss-of-it-all. Durch den Nebel hindurch waren als Hintergrundvideo mal dystopische Landschaften, leider dann dominierend die beliebig austauschbaren Videoclips heutiger Müll-Medien erkennbar (Bühne: Jakob Brossmann).

Im Kern führt Autor Frühauf den Kampf der Jugendbewegung „Unswelt!“ gegen den bedenkenlos kapitalistischen Technisch-Industriellen-Komplex des Dr. Kassler vor. Durchgängiges Ablenkungs- und Betäubungsmittel ist dabei das Eintauchen in eine Cloud per Virtual-Reality-Brille – und die sammelt natürlich nebenbei alle Daten. Ob dann „*s*cape“ ein Signal Richtung „escape“, also „dem allen entkommen“ sein soll, wird nicht erklärt.

Musikalisch spricht Komponist Wist von Trap-music, dieser aktuellen Form des Hip-Hop mit Resten von Gangster-Rap. So sind zwischen die Dialog-Szenen Songs eingestreut, die von Rapperin Antifuchs und Rapper AK-47 Jonathan Miller sowie Michel Schulze und Michal Strychowski an E-Gitarre und Schlagzeug hingefetzt werden: fortissimo bis dröhnend unverständlich – merke, liebe Trap-Musiker: „forte“ heißt stark nicht laut.

Am Ende zerbricht die Protestbewegung und Dr. Kassler stirbt einen einsamen Herzinfarkt. Aber da neben aller weltweiten und speziell Wasser betreffenden Umweltproblematik auch Liebessehnsucht und jugendlicher Hedonismus und allgemeinmenschliche Korrumpierbarkeit verhandelt werden sollen, bleibt zu viel einfach schlicht. Doch Lautstärke und immer wieder Nebel decken gnädig vieles zu. Untergehen dabei Ansätze wie „Wir gucken weg, machen aber alle mit“ oder schick-dumme Statements wie „Virtualität ist gleich Virtuosität“ – da wäre weniger Gedröhn und mehr gedanklicher Tiefgang ergiebig gewesen.

So kämpften Thea Rasche, Liv Stapelfeldt und Alexandros Koutsoulis als Aktivisten vergebens gegen den ölig-selbstgefälligen Dr. Kassler von Andreas Posthoff, aber auch gegen die hypertrophe Werkform. Das dominant jugendliche Publikum jubelte prompt wie nach einem Pop-Konzert. Doch auf dem Grabstein dieser Trap-Oper wird stehen: Sie haben sich bemüht.

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