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Vielfalt als programmatische Ausrichtung

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Zahlreiche Uraufführungen beim zehnjährigen Jubiläum der Münchner Gesellschaft für Neue Musik (MGNM)
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Schon kurz nach ihrer Gründung 1996 erlangte die Münchner Gesellschaft für Neue Musik e.V. (MGNM) eine zentrale Rolle im Münchener Kulturleben. Grund genug, das zehnte Musikfest der Gesellschaft am 7. und 8. Oktober ganz besonders zu begehen: Zahlreiche Uraufführungen wurden geboten, darunter erstmals mit Unterstützung der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung. Schließlich schaute auch Kulturreferentin Lydia Hartl vorbei, die die jährlichen Zuschüsse von rund 10.000 Euro weiterhin zusicherte.

Neue Musik – der Begriff schreckt etwas ab. Zu sehr erinnert er an die „Philosophie der Neuen Musik“ von Adorno, in der das Frankfurter Multitalent die Musik von Strawinsky und anderen als „Geschmack am Ungeschmack“ verdammte. Und so stellt man sich unter der Münchner Gesellschaft für Neue Musik eine Vereinigung vor, die apodiktisch Geschmack vom Ungeschmack trennt.

Doch weit gefehlt: „Wir schließen niemanden aus, uns ging es von Anfang an um das Schaffen eines pluralistischen Forums und Podiums für Münchener Komponisten“, unterstreicht Vorsitzender Reinhard Schulz. Das unterscheidet die MGNM von anderen Vereinen und Veranstaltern dieser Art, die mitunter immer noch von Ideologien und Dogmen geleitet werden.

Und alljährlich präsentiert die MGNM auf ihrem Musikfest eine schillernde Vielfalt, die stets aufs Neue das Neue diskutiert. Das diesjährige Musikfest offenbarte nicht nur diese Vielfalt, sondern zugleich die mögliche Erneuerung durch das Alte als Trend der zeitgenössischen Musik. Dass das Neue altert, hat schon Adorno erkannt, auf diesen Umkehrschluss kam er hingegen nicht.

Neu wirkten jene Kompositionen, die den Dialog mit der Tradition nicht scheuten, ihn aber klanglich und persönlich weiterverarbeiteten. Die faszinierendsten Beiträge kamen von Nikolaus Brass: „lost and found“ für Saxophonquartett und die definitive Fassung des 2. Streichquartetts von 2002. Zu den Meisterwerken seiner Gattung muss das 2. Streichquartett gerechnet werden, das – mit Hilfe eines an der TU München entwickelten Computer-Umblättersystems – vom Auritus-Quartett kongenial gestaltet wurde.

Mikrotonales Umkreisen von Terzen, Sekunden und Quinten schafft eine Tonsprache des Abschieds, nicht mehr von dieser Welt das Spiel mit Obertönen. Da reicht der viel beschworene Bezug zu Morton Feldman nicht aus: Hier schimmert auch der filigran-spröde späte Schostakowitsch durch. Tatsächlich verriet Brass, dass er die Abgründigkeit des Russen sehr schätze. Über ein viertes Streichquartett, das die Tendenzen des zweiten fortsetzt, denke er bereits nach.

Höhepunkte schufen ebenso Christoph Reiserer und Michael Hirschbichler. Vor allem Hirschbichlers „Logion 77“ für Flöte und Oboe, das im Wechselspiel von Atem, Klang und Stille Einflüsse von Scelsi, Salvatore Sciarrino und den späten Nono originell verarbeitet, erstaunte mit Können und tiefer Aussage. Schade nur, dass der Anfang Zwanzigjährige den klanglich durchaus nachvollziehbaren programmatischen Bezug zu Jesus’ Ausruf „Ich bin das Licht“ im Programmheft verwirft.

Überholt wirkten solche Werke, die einzig Relikte von Stilen, Techniken und Zeiten blieben. Das betraf einerseits belanglos im Alten erstarrte Werke wie Herbert Baumanns „Con un minuetto“, das ein Menuett des achtjährigen Mozart variiert, oder Carl Manskers „Rondo“ op. 46. Dabei zeigte doch das überdeutlich auf Britten und den mittleren Schostakowitsch verweisende Duo für Violine und Cello „Pas de deux“ von Graham Waterhouse, dass auf dem Pfad zurück in die Vergangenheit authentische und intensive Beiträge möglich sind.

Andererseits beließ es – nicht minder rückwärtsgewandt – Karl F. Gerber mit seinem „Unarieunbegleitet“ für Stimme und computergesteuerten Flügel beim Klangspiel, wie es schon vor Jahrzehnten in bestimmten Kreisen en vogue war. Hinter den heutigen elektroakustischen Möglichkeiten fielen die Klänge in Tom Soras „Gesetz und Freiheit“ zurück (großartig hier das XSEMBLE München). Zuweilen schützt künstlerische Offenheit, wie sie die MGNM repräsentiert, nicht vor Peinlichkeiten. Eigentlich wären Johannes Daums „Melodien zum Dahinfließen V“ nicht die Rede wert, wenn sich der 1974 geborene Jazz-Pianist nicht schon häufiger beim Musikfest versucht hätte: Es gehört schon viel Selbstbewusstsein dazu, dürftigen Kitsch als Beschäftigung mit dem klassischen und romantischen Erbe zu verkaufen. Und doch ist davor zu warnen, solche Beiträge im Vorfeld auszuschließen.

Denn es ist das große Verdienst der MGNM, ein breites Bild der zeitgenössischen Musikstadt München zu transportieren und selbst Komponisten wie Brass ein wichtiges Podium zu bieten. Tatsächlich hat die MGNM Modellcharakter, wie Anfragen aus anderen Städten belegen. So gesehen kann die MGNM hoffnungsfroh in die Zukunft sehen: „Allerdings fehlt uns engagierter Nachwuchs“, schränkt Schulz ein. Aber vielleicht kommt der ja noch. Zumindest waren die jungen Hörer, die in Scharen das Kinderkonzert besuchten, von Neuer Musik begeistert.

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