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Vitrine der Ausstellung "Violinen der Hoffnung". Foto: Peter Adamik
Vitrine der Ausstellung "Violinen der Hoffnung". Foto: Peter Adamik
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Violinen aus der Asche – Die Ausstellung „Violinen der Hoffnung“ in der Berliner Philharmonie zeigt die Musikinstrumente verfolgter Juden

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Die Geige war immer dabei. Auch als Erich Weininger, ein musikliebender Metzger aus Wien, 1939 verhaftet wurde und nach Dachau gebracht wurde. Dort wirkte er vermutlich in heimlichen Konzerten mit. Aus dem KZ Buchenwald wurde er auf Initiative der Quäker entlassen, doch da die britische Besatzungsmacht keine Flüchtlinge in Palästina mehr aufnahm, musste er den Umweg über die Tropeninsel Mauritius nehmen, bevor er erst 1945 das Gelobte Land betreten konnte.

Auf Mauritius spielte er in klassischen Konzerten, war aber auch Mitglied der Flüchtlingsband „Beau Bassin Boys“. Oder die Geige des Feivel Wininger, Geschäftsführer einer Sägemühle in Gura Humora in der südlichen Bukowina, der im Getto Shagorod durch Musizieren vor rumänischen Offizieren und ukrainischen Bauern seine 17köpfige Familie ernähren konnte. Auch später in Israel spielte er sie regelmäßig – sie war „sein bester Freund“. Die beiden Instrumente sind zurzeit im Foyer des Kammermusiksaals der Berliner Philharmonie in der Ausstellung „Violinen der Hoffnung“ zu sehen. „Geigen können nicht sprechen“, meinte Kurator Albrecht Dümling in seiner Eröffnungsrede. Doch in der äußerst faktenreich und fundiert angelegten, in Zusammenarbeit mit Helge Grünewald und Gerald Forck realisierten Schau des Berliner Musikwissenschaftlers können sie es sehr wohl.

Denn auch wenn es ihnen nicht anzusehen ist: Diesen Geigen haftet das Schicksal ihrer ehemaligen Besitzer auf ganz besondere Weise an, der Staub der Länder, in die es sie verschlug – und manchmal auch Asche aus Auschwitz. Sie gehörten jüdischen Menschen, ganz gleich welcher musikalischen Professionalität, die von den Nazis in die Todeslager deportiert wurden oder ins Exil flüchten mussten. Sie wurden beim Ausmarsch zur und auf dem Rückweg von der Arbeit gespielt, wenn die Häftlinge sich kaum noch auf den Beinen halten konnten; nach den Selektionen, welche die Menschen in „nützliche“ und todgeweihte schieden, zur Unterhaltung der Mörder – und konnten doch auch die Gequälten und Geknechteten in Erinnerungen und Träume von einer besseren Welt entführen. Manchem rettete die Musik das Leben. So auch – auf ganz andere Weise – etlichen Mitgliedern des Palestine Orchestra, denen sein Gründer Bronislaw Huberman die Ausreise aus Nazideutschland ermöglichen konnte.

Sie wollten jedoch keine Geigen deutscher Herkunft mehr spielen, nachdem ihnen das Ausmaß der Judenmorde bewusst geworden war. All diese Instrumente gelangten zu Amnon Weinstein, Geigenbauer in Tel Aviv, wurden ihm zur Reparatur gebracht, auf Flohmärkten gefunden, bei Zwischenhändlern  entdeckt. Dabei wollte Weinstein zunächst gar nichts über ihre Herkunft wissen – die eigene tragische Familiengeschichte wurde dadurch schmerzlich in Erinnerung gerufen. Die im Innern eines Instruments entdeckten Aschereste waren noch ein Schock, den er schnell wieder verdrängte. Erst die Zusammenarbeit mit dem Bogenbauer Daniel Schmidt aus Dresden, der nicht aufhörte, Fragen zu stellen, weckte auch sein Interesse. Mittlerweile umfasst seine Sammlung etwa 50 Geigen, die er aus dem Besitz verfolgter Juden erwarb und restaurierte. Für ihn sind sie symbolhaft mit dem Holocaust verbunden, stehen ebenso für eine zerstörte Kultur wie für zerstörte Leben. An beides will er erinnern, wenn er seine Geigen ausstellt – „jede Violine wie ein Grabstein“ – oder sie in Konzerten wieder erklingen lässt.

Und so ist die Ausstellung weit mehr als eine Sammlung von Einzelschicksalen. Anhand der Exponate zeichnet sie die verheerende Kulturpolitik der Nationalsozialisten, ihre weltweiten Aus- und Nachwirkungen, akribisch nach. Texttafeln und Fotografien sind ihnen beigegeben, die historische Zusammenhänge veranschaulichen. Beschlagnahmungen von Instrumenten in Deutschland nach Auflösung des jüdischen Kulturbunds und in den besetzten Gebieten sind ebenso dokumentiert – in Frankreich etwa machte man selbst vor dem Besitz einer Wanda Landowska oder eines Gregor Piatigorsky nicht halt – wie das „Musikleben“ in Auschwitz beschrieben wird. Alma Rosé, die das berühmte „Mädchenorchester“ leitete, starb an einer Lebensmittelvergiftung. Ihre Guadagnini-Geige „überlebte“ und befindet sich heute im Besitz von Zakhar Bron. Die Cellistin Anita Lasker-Wallfisch, der Komponist und Geiger Simon Laks und der Geiger Henry Meyer, der später dem La Salle Quartett angehörte, wurden durch die Musik gerettet.

Zu sehen sind zwei mit Davidsternen geschmückte Klezmer-Geigen, Symbol für die zerstörte Stetl-Kultur. Wir sehen Feivel Wininger mit seiner Band „Freiheit für das Vaterland“ und lesen die unglaubliche Geschichte des Schiffsbauingenieurs Gualtiero Morpurgo, ein Hobbymusiker auch er, der auf seiner Geige im Waschraum eines Schweizer Flüchtlingslagers Bach-Partiten spielte. Für die jüdische Untergrundorganisation Alija Bet reparierte er ab 1945 Schiffe, die Hunderttausende von Holocaust-Überlebenden nach Palästina brachte. Erst mit 97 Jahren stellte er das Geigenspiel ein. Die Geige des 14jährigen Partisanenkämpfers Mordechai Schlein, der in seinem Geigenkasten Sprengstoff in einen deutschen Offiziersclub in der Ukraine schmuggelte, kann in Berlin leider nicht gezeigt werden – sie befindet sich im Museum Yad Vashem.

Was man über Überlebenszahlen auch der französischen Deportierten, diplomatische Verwicklungen in besetzten und Exilländern, menschenverachtende Vorschriften und vieles mehr erfährt, frappiert durch seinen Detailreichtum und lässt einmal mehr die Ungeheuerlichkeit der Willkürmaßnahmen erahnen, denen die Menschen damals ausgesetzt waren.

Die Ausstellung ist trotz ihres kleinen Umfangs auch in dieser Hinsicht ein würdiges Pendant zu Dümlings kommentierter Rekonstruktion der Propaganda-Schau „Entartete Musik“ von 1938, die er 2007 auf Einladung der damaligen Philharmonie-Intendantin Pamela Rosenberg unter dem Titel „Das verdächtige Saxophon“ in Berlin vornahm. Was sich Deutschland damals selbst angetan hat, eine nie wieder zu schließende Wunde, vermittelt sich noch stärker durch Ausblicke in Vergangenheit und Gegenwart jüdischen Kulturlebens. Dümling wollte einen Berlin-Bezug schaffen, einen Gegenakzent zur von hier ausgegangenen Politik – und so begegnen wir in den ersten Vitrinen dem Portrait des Stammvaters jüdischer Geigenkunst in Deutschland, Joseph Joachim, mit einer Urkunde zum 60jährigen Künstlerjubiläum – die Umbenennung einer seinen Namen tragenden Straße in der Nazizeit wurde übrigens nicht mehr rückgängig gemacht. Fritz Kreisler, Carl Flesch, Max Rostal – sie alle mussten nach hochgeschätztem, brillantem Wirken in Berlin emigrieren, und auch ihrer wird höchst unzureichend gedacht. Ein Kuriosum ist die Jugendgeige Albert Einsteins, vom Berliner Arzt, Schriftsteller und Geigenbauer Julius Levin umgebaut, nebst einem Schreiben, in dem sich der große Wissenschaftler und Humanist begeistert über die „Veredelung“ einer weiteren Geige durch Levin äußert.

Die eindrucksvoll lange Liste jüdischer Konzertmeister der Berliner Philharmoniker reicht ebenfalls in diese Zeit zurück, beginnend mit Tossy Spivakowsky, der 1926 diese Position als 19jähriger antrat, bis hin zu Guy Braunstein, der sie von 2000 bis 2013 als Nachfolger Kolja Blachers innehatte. Michel Schwalbé, dessen Mutter und Schwester im Vernichtungslager Treblinka ermordet worden waren, empfand die Berufung durch Herbert von Karajan 1957 als einen „Akt der Versöhnung mit den Deutschen.“ Als kulturelle Annäherung zwischen Israel und Deutschland kann jedenfalls das Gastspiel des Israel Philharmonic Orchestra – dem vormaligen Palestine Orchestra – 1971 in der Bundesrepublik Deutschland gewertet werden, das Daniel Barenboim erst 1990 mit den Berliner Philharmonikern erwidern konnte. Dass es bei dieser Gelegenheit zu einem gemeinsamen Musizieren beider Klangkörper kam, mag als Beleg für die vielbeschworene völkerverbindende Kraft der Musik gelten, und vielleicht haben sich einige auf die Violinen projizierten Hoffnungen ja auch erfüllt – das, was sie notwendig machte, darf niemals vergessen werden, und die richtigen Schlüsse daraus, um es nie wieder geschehen zu lassen, sind offensichtlich noch nicht gezogen worden.

Öffnungszeiten der Ausstellung:

  • Montag bis Freitag 15 – 18 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen 11 – 14 Uhr sowie zu den Konzerten im Kammermusiksaal
  • Dauer: 26. Januar bis 22. Februar 2015
  • Ort: Foyer Kammermusiksaal

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