Zwei schwarze Balken auf weißem Grund, daneben in dezentem Rot die Aufschrift: „Klavier-Festival Ruhr“. Auf Fahnen, Transparenten, auf den Programmheften: das Signet des Festivals ist im Ruhrgebiet während der Sommerzeit überall präsent. Selbst das Plakat – erstmals statt der schwarzen mit farbenfrohen, bunten Balken – wirbt unaufdringlich, aber wirkungsvoll. Denn dass hier Klaviertasten gemeint sind, dürfte jedem Betrachter klar sein. Nun gibt es wahrlich genug Veranstaltungsreihen, die dem Klavier gewidmet sind, doch in dieser Größenordnung ist das Klavier-Festival Ruhr weltweit einzigartig. 61 Konzerte in neun Wochen, verteilt auf 13 Städte des Ruhrgebiets. Ein Marathon der Tastenakrobatik.
Zwei schwarze Balken auf weißem Grund, daneben in dezentem Rot die Aufschrift: „Klavier-Festival Ruhr“. Auf Fahnen, Transparenten, auf den Programmheften: das Signet des Festivals ist im Ruhrgebiet während der Sommerzeit überall präsent. Selbst das Plakat – erstmals statt der schwarzen mit farbenfrohen, bunten Balken – wirbt unaufdringlich, aber wirkungsvoll. Denn dass hier Klaviertasten gemeint sind, dürfte jedem Betrachter klar sein. Nun gibt es wahrlich genug Veranstaltungsreihen, die dem Klavier gewidmet sind, doch in dieser Größenordnung ist das Klavier-Festival Ruhr weltweit einzigartig. 61 Konzerte in neun Wochen, verteilt auf 13 Städte des Ruhrgebiets. Ein Marathon der Tastenakrobatik.Doch das Festival ist mehr als nur ein Aufmarsch von Stars. Das wäre bei so vielen Konzerten gar nicht möglich. Selbstverständlich gastieren beim Klavier-Festival Ruhr auch weniger namhafte Pianisten, viele in kleineren Sälen, die kaum mehr als einhundert oder zweihundert Zuhörer fassen. Auch diese Konzerte sind von hoher künstlerischer Qualität. Qualität, die sich herumgesprochen hat und nicht zuletzt dazu führte, dass in diesem Jahr mehr als die Hälfte der Konzerte ausverkauft war. Die Nachfrage nach Karten stieg deutlich (94 Prozent Auslastung), so dass erstmals mehr als 32.000 Besucher gezählt wurden. Von der viel beschworenen „Krise der Klassik“, die Thema des Eröffnungskongresses war (siehe Beitrag von Stefan Keim, nmz 7-8/01), ist beim Klavier-Festival Ruhr nichts zu spüren. Der Erfolg hat sicher mit der inzwischen 13-jährigen Geschichte des Fes-tivals zu tun, aber auch mit der klaren Konzeption. Die Konzentration auf ein einziges Instrument bedingt zwar eine Einschränkung bei Künstler- und Programmauswahl, bietet dafür die Chance der Profilierung. Somit hebt sich das Angebot beim Klavier-Festival wohltuend vom Gemischtwarenladen vieler anderer Festivals ab. Nahe liegend, dass man mit einem spezielleren Programm auch ein besonderes Publikum erreicht, das aus vielen Kennern und Liebhabern besteht, die vermutlich selbst einst Fingerübungen auf dem Klavier absolviert haben. Dass klassisch-romantische Werke in der Gunst ganz vorne stehen, wundert nicht. Mozart, Beethoven, Brahms, Schubert und Schumann bestimmen das Repertoire, nicht zu vergessen Chopin und Liszt.Auch der Maestro höchstpersönlich, Maurizio Pollini, der in diesem Jahr erstmals im Ruhrgebiet gastierte, spielte Werke von Franz Liszt, wie dessen gewaltige h-Moll Sonate. Fein ausgelotet, mit überragender Technik und Musikalität gestaltet: ein Konzertabend, bei dem alle Erwartungen erfüllt wurden. Die Überraschung kam einige Wochen später, als Garrick Ohlsson mit dem gleichen Werk antrat. Die eigenwillige Interpretation des Amerikaners hinterließ einen tieferen Eindruck. Unglaublich Ohlssons Gestaltungskraft, seine Liebe zu jedem, noch so kleinen Detail, die dynamische Spannbreite, die Anschlagskultur und das Spiel mit Klangfarben. „Am Klavier ein Gigant“, jubelte ein Kollege. Vergleiche drängen sich auf, wenn ein Pianist dem anderen folgt. Unterschiedliche musikalische Deutungen, individuelle Spielweisen, Klavierschulen – ob russische oder französische – machen das Ganze so spannend und abwechslungsreich. Und das Repertoire fürs Klavier ist allemal reichhaltig genug, um damit mehr als 60 Konzerte pro Saison plus Meisterkurse zu füllen.
Allmählich gewinnt auch die Musik des 20. Jahrhunderts beim Klavier-Festival Ruhr mehr Raum. So brillierte Volker Banfield mit Heitor Villa-Lobos’ hochvirtuosem „Rudepoêma“, Herbert Henck zelebrierte Hans Ottes „Buch der Klänge“ und der erst 21-jährige Gianluca Cascioli zeigte erstaunliche musikalische Reife bei Klavierwerken von Alban Berg und Béla Bartók. Nicht zu vergessen das Duo Andreas Grau und Götz Schumacher, das mit der unmittelbaren Gegenüberstellung von Ligeti und Schubert alte Hörgewohnheiten aufbrach.
Franz Xaver Ohnesorg, seit 1996 künstlerischer Leiter des Festivals, hat immer betont, wie wichtig ihm die Moderne sei, und hat deshalb „Wochenend-Projekte“ eingeführt. Von den drei Projekten in jedem Jahr sind zwei der zeitgenössischen Musik gewidmet. Meist steht ein Komponist im Mittelpunkt. Nach Stockhausen, Kagel, Nancarrow, Rihm, Killmeyer und Boulez, wurden nun Hans Werner Henze und Morton Feldman geehrt.
Das dritte Wochenend-Projekt war wieder dem Lied gewidmet, besser gesagt, der Liedbegleitung, denn die feste Konstante dieser Veranstaltungen ist seit einigen Jahren Graham Johnson. Für seine Leistungen erhielt der renommierte Klavierbegleiter den „Preis des Klavier-Festivals Ruhr 2001“.
Inhalte sind für Franz Xaver Ohnesorg wichtig bei der Gestaltung des Programms; er legt Wert auf Kontinuität. So hat er in den vergangenen Jahren die großen Klavierkonzerte von Reger, Pfitzner und Busoni ins Programm genommen und das Klavier-Festival Ruhr 2001 bewusst mit einer erst im vergangenen Jahr uraufgeführten Komposition eröffnet: mit York Höllers „Widerspiel“ für zwei Klaviere und Orchester. „Widerspiel“ ist ein grandioses dreisätziges Werk, das Eingang ins Repertoire finden sollte. Die Interpretinnen Elena Bashkirowa und Brigitte Engerer sowie die Bochumer Symphoniker verhalfen dem Festival zu einem umjubelten Auftakt.
Mit einem Etat von mehr als drei Millionen Mark ist das Klavier-Festival Ruhr ausgestattet. Gelder, die ausschließlich durch private Sponsoren zusammenkommen. Dem Initiativkreis Ruhrgebiet, Veranstalter des Klavier-Festivals Ruhr, gehören 44 Unternehmen an. Wirtschaftsunternehmen, die das Festival oder einzelne Konzerte finanziell kräftig unterstützen. So auch die vier Trio-Konzerte mit vier hochkarätigen Jazzpianisten. Die Trios hätten stilistisch unterschiedlicher kaum sein können. Hier der lyrische, eher introvertierte Brad Mehldau, dort Chick Corea, der am Ende seines Konzerts 1.700 Menschen zum Mitsingen animierte. Der französische Jazzpianist Martial Solal würzte seine verblüffende Fingerfertigkeit und seinen überbor-denden Einfallsreichtum mit viel Humor. Mitreißend auch der Auftritt des amerikanischen Jazzpianisten Uri Caine. Bei allen vier Trios waren die musikalischen Partner an Bass und Schlagzeug den Pianisten ebenbürtig – die hohe Kunst des Triospiels.
Die erlebte man allerdings auch bei der Klassik. Was die Pianistin Martha Agerich – die den Tastenolymp längst erklommen hat –, der Geiger Gidon Kremer und der Cellist Misha Maisky an kammermusikalischem Zusammenspiel boten, war atemberaubend. Ein Abend, den man nicht so schnell vergisst, nicht zuletzt, weil die gut gelaunten Künstler mit Zugaben nicht geizten und sich nach dem Konzert zu einer spontanen Autogrammstunde im Foyer einfanden. Welch ein Erlebnis für die zahlreichen Fans! Konzerte wie dieses tragen zur Festivalatmosphäre bei – das Klavier-Festival Ruhr ist auf einem guten Wege, sich international in der Festivallandschaft zu behaupten.