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Orchesterkonzert 2 Wiener Symphoniker. Foto: © Bregenzer Festspiele / Dietmar Mathis
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Vom Rhein zu Rheingold – Bei den Bregenzer Festspielen wagen die Wiener Symphoniker Wagners „Ring“-Eröffnung

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Tatsächlich mündet er gute tausend Meter entfernt in den Bodensee und tatsächlich wurde vor langer Zeit dort Gold gesucht und gefunden … von der Suche nach realem Gold und dem sagenhaften Nibelungen-Schatz dann im weiteren „teutschen“ Verlauf des Rheins zu schweigen. Zu ihrem Jubiläum „75 Jahre Festspielorchester in Bregenz“ wollten die Wiener Symphoniker etwas Besonderes: also Wagners „Rheingold“.

Nachdem die Pandemie und in Folge die Absage der Festspiele 2020 Kräfte und Finanzen kräftig durcheinandergerüttelt haben: kein reines Gold, sondern eine von Regisseur Johannes Erath eingerichtete „halbszenische“ Aufführung - unter künstlerischer Mitarbeit von Bibi Abel: das Orchester auf der Bühne des Festspielhauses, ein Podium im hinteren Teil des Orchesters, die hochgefahrene Orchestergrabenfläche und die Parkettgänge von den Solisten bespielt, im Hintergrund Abels Video-Projektionen.

Im völlig abgedunkelten Zuschauerraum erklang schon die Weltentstehung in Es-Dur zu schnell. Zu Fließwasser-Projektionen begleitete dann der neue Chefdirigent Andrés Orozco-Estrada die Wasserspiele der Rheintöchter mit amüsant ausgreifenden Hüftschwüngen; sein weiteres Wagner-Verständnis schien von seiner kolumbianischen Herkunft eingefärbt: flüssig bewegt, aber nicht zu schnell und nur durchweg klangschön. Erst zum finalen Einzug der Götter nach Walhall ließ er insbesondere den ganzen Blech-Satz der Symphoniker voll aufspielen – doch zuvor hatten Alberichs Gier und dann Raublust, seinem Liebes- und dann Gold-Fluch, der Beschwörung des finsteren Weltreichs, auch der gewaltsamen Ring-Aneignung Wotans Wucht – all dem Kanten und die Grenzen zum grellen Klangschrei gefehlt. Insgesamt klangliches Weich-Gold.

Dazu ließen Erath-Abel die Rheintöchter mit weißen Kurzhaar-Perücken zum verführerisch dekolletierten Frack auftreten und sich in drei Liegestühlen vorne räkeln, dann auch die übrigen Solisten im Frack oder Abendrobe: „Babylon-Berlin“ grüßte – keine Differenzierung zu den Bau-Proletariern Fasolt und Fafner, zu Alberich und Mime. Wieso etwa letzter sich eine der Rheintöchter krallen und in eine Art Olympia-Automaten verwandeln konnte, diese dann aber zur End-Klage wieder reguläre Rheintochter war, blieb Regie-Geheimnis – ganz im Unterschied zu dem allzu grellen Loge von Will Hartmann im glitzernden Pailletten-Jackett eines Conférenciers mit textverdoppelnder Gestik und Aktion. Abels Videos von anfänglicher Synchron-Schwimm-Gymnastik von drei ansehnlichen Frauenbeinpaaren im Wasser verkam zu später unverständlichen Bildsequenzen. Szenisch eher verunreinigtes Misch-Gold.

Dafür viel vokaler Glanz: Zwar muss der Wotan von Brian Mulligan noch an Vokalverfärbungen und grammatikalisch richtigen Wortendungen arbeiten, ansonsten aber schön füllige Baritonphrasen. Der kurzfristig eingesprungene Alberich von Markus Brück besaß vokal Gift, Kante und Gefährlichkeit. Fiel schon das dunkle Leuchten von Claudia Huckles Floßhilde auf, so füllte dann herrliches „Alt-Gold“-Strömen ihrer Erda vom hinteren Ende des Parketts den ganzen Zuschauerraum. Die Vernachlässigung Wotans der eleganten Bühnenerscheinung und betörenden Mezzo-Töne von Annika Schlichts Fricka blieb geradezu unverständlich und Levente Pall sang einen markant entschiedenen, dann den wohl lyrisch schönst verliebten Fasolt der derzeitigen Wagner-Bühne. Einhelliger Schlussbeifall, der nur beim Bühnenteam etwas abflachte.

Während der neue „Ring“ in Bayreuth noch ausblieb, wurde letztlich welt-ruinierendes Gold im Regensburger Donau-Hafen (nmz online vom 04.07.2021), dann nahe dem Inn-Ufer bei den Festspielen in Erl (nmz vom 12.07.2021) und nun an Rhein und Bodensee geschmiedet. Künstlerisch hat dabei Brigitte Fassbaender in Erl den bislang edelsten Reif gestaltet.

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