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In der Mitte: Timo Schabel (Mime) und Statisten. Foto: Stephan Walzl.
In der Mitte: Timo Schabel (Mime) und Statisten. Foto: Stephan Walzl.
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„Vom Wesen des Besitzes“ – Richard Wagners „Rheingold“ hatte Premiere am Staatstheater Oldenburg

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Ein gut platziertes „Bravo“ ging dem Beifallssturm nach der Aufführung von Richard Wagners „Rheingold“ am Oldenburgischen Staatstheater voraus. Zu Recht. Nach dem „Vorabend“ des „Ring des Nibelungen“ ist der gesamte Zyklus erstmals in der Geschichte des Oldenburgischen Staatstheaters geplant.

Der Mythos der Nibelungen erlaube, so Richard Wagner, eine „ungemein scharfe Erkenntnis vom Wesen des Besitzes, des Eigentumes“. Der Anfang einer solchen Weltvorstellung – 1854 geschrieben, 1869 in München uraufgeführt und 1876 die Bayreuther Festspiele eröffnet – gelang nahezu perfekt: in der präzisen und empfindlich transparenten musikalischen Wiedergabe unter Generalmusikdirektor Hendrik Vestmann, in der durch Realismus und gut gesetzte Komik verführerischen szenischen Konzeption des Österreichers Paul Esterházy, in der überragenden Leistung der SängerInnen, die ausnehmend gut artikuliert sprechen, und im braun gefärbten malerischen Bühnenbild (und Kostümen) von Mathis Neidhardt.

Für die Tiefe des Rheins, für die Riesen Fasolt und Fafner, für den Zwerg Alberich, muss man – und alle großen Regisseure bis zum legendären Ring-Zyklus von Patrice Chereau in Bayreuth – haben es getan – Bilder erfinden: denn alle Personen bei Wagner sind als Götter, Zwerge und Riesen keine Menschen, sondern Ideen, allenfalls Triebverkörperungen. Esterházy baut daraus auf der Stelle eine realistische Kleinbürger- oder Bauerngesellschaft aus Menschen, die sich belauern, bekriegen, sich Beine stellen, Korruption, Ausbeutung und Mord betreiben, alles im abgedunkelten Bauernhaus mit vielen Zimmern dank des ausgeklügelten Einsatzes der Drehbühne. Die quirlige Konversationsebene lässt Esterházy genauso zu wie ein ausgeprägtes, zum Teil komisches Zaubertheater. 

Alberich, der kleine Mann von unten, sitzt im Vorspiel zunächst mal auf dem Klo. Dann sind die Rheintöchter in einer Waschküche zu sehen, Wotan sitzt im Ehebett mit seiner Frau Fricka, die später an einem endlos langen Schal in Regenbogenfarben strickt. Dann entfaltet sich in der bürgerlichen Bauernstube die Tragödie und gleichermaßen Komödie: die „Baulöwen“ Fafner und Fasolt verlangen ihren Lohn für den Bau von Walhall, Alberich als fett gewordener Unternehmer beutet die Arbeiter in Nibelheim aus – krass und realistisch lässt Vestmann die Ambosse erklingen, Alberich verwandelt sich in eine Kröte, der intellektuelle Loge als agiles Element der Zerstörung wuselt durch die Szenen, Wotan schlägt Alberich den Unterarm ab, an dessen Finger der Goldring hängt, Urmutter Erda warnt Wotan vorm Besitz des Goldes. Alles bleibt bei Esterházy im Rahmen von Menschen, die mehr oder weniger ihr Unwesen mit anderen betreiben. Das ist sehr deutlich – im Herbst 1848 hatte Wagner, so der Schauspieler Eduard Devrient, „wieder große sozialistische Rosinen im Kopf“– und wohltuend vermeidet Esterházy eine bedeutungsschwangere Interpretation, die ihrerseits wiederum interpretationsbedürftig wäre.

Große SängerInnenleistungen waren zu bewundern und allein die lohnen eine Reise: als Gäste Johannes Schwärsky, ein intensiver und dämonischer Alberich, Timothey Oliver als smarter und agiler Loge und Ann-Beth Solvang als beschwörende Erda. Doch das Ensemble hielt glänzend mit: Daniel Moon als Wotan, Melanie Lang als Fricka und Sarah Tuttle als Freia, Randall Jacobsh und Ill-Hoon Choung als Fasolt und Fafner. Wagner an kleinen Bühnen? Ja natürlich!

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