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Der Diktator von Ernst Krenek / Der zerbrochene Krug von Viktor Ullmann. Premiere am 13. April 2018. Foto: © Wilfried Hösl
Der Diktator von Ernst Krenek / Der zerbrochene Krug von Viktor Ullmann. Premiere am 13. April 2018. Foto: © Wilfried Hösl
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Von Macht und Menschen – Kreneks „Diktator“ und Ullmanns „Zerbrochener Krug“ im Münchner Cuvilliéstheater

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Wie alle großen Opernhäuser pflegt auch die eben als Institution ausgezeichnete Bayerische Staatsoper begabte junge Sänger in einem Opernstudio an die Realität dieses Berufs heranzuführen. Dazu gehört als Höhepunkt der Saison eine eigene Produktion unter professionellen Bedingungen: das Münchner Kammerorchester, ein Nachwuchsdirigent, alle elf Solisten des Opernstudios, zwei Spielleiter der Staatsoper – alles im herrlichen Rahmen des Cuvilliéstheaters.

Erstaunen gleich zu Beginn: keine Pause. Ernst Kreneks bitterer Einakter „Der Diktator“ von 1928 war also direkt mit Viktor Ullmanns Vertonung des Kleist-Lustspiels „Der zerbrochene Krug“ von 1941 verbunden, Tragödie und Komödie pausenlos in 110 Minuten. Das begann mit einer szenischen Klammer: Frau Brigitte, die spätere Zeugin im Lustspiel, kommt durch das Parkett gegangen, steigt durchs Orchester ein wenig bemüht via einer kleinen Leiter auf die Bühne – und findet vor dem Eisernen Vorhang die Allonge-Perücke des Dorfrichters Adam. Sie steigt durch die Tür des „Eisernen“ und das kurze Vorspiel zu Kreneks „Diktator“ setzt ein. Dazu wird das Einheitsbühnenbild von Marie Pons sichtbar: auf der Drehbühne zwei Spielbereiche. Der geometrisch schiefe, graue Raumkasten im Vordergrund sollte wohl die bedrückende Enge allen Lebens in einer Diktatur versinnbildlichen. Hier liegt der im Giftgas erblindete Offizier; seine Frau entschließt sich, den an der anderen Wand stehenden und erneut Krieg führenden Diktator zu erschießen. Im Originalwerk verfällt sie nach drei Schüssen, die den „Allmächtigen“ unversehrt lassen, seiner sexuellen Omnipotenz; die Ehefrau des Diktators stürzt herein und erschießt die Nebenbuhlerin.

Hier setzten die Neuerungen unter Staatsopern-Dramaturg Benedikt Stampfli ein. Auf die Rückwand projizierte Stummfilmszenen in Schwarz-Weiß zeigten erst Offizier und Frau als Liebespaar, dann den somnambulen Gang der Frau in langem weißen Nachthemd an die Brust eines hohen Militärs, erläutert durch Stummfilm-Texttafeln im Stil der 1920er Jahre. Als reale Bühnenhandlung wurde aber von Spielleiterin Martha Münder inszeniert, dass die eifersüchtige Frau dem blinden Offizier die Pistole überlässt und dieser seine Frau erschießt. Außerdem kniete der Diktator wenig faszinierend vor der ihm verfallenden Rächerin, presste seinen Kopf flehend in ihren Schoß… musste Krenek „verbessert“ werden? Leider war auch, parallel zum Stichwort „Kantonspolizei“, der Diktator in eine Art Schweizer Privat-Offizier-Kostüm, „Herrenreiter“-nahe gesteckt – und das von einer renommierten Kostümbildnerin wie Gesine Völlm. Ihnen allen wären zwei Seiten aus Rachele Mussolinis „Mussolini ohne Maske“ zu empfehlen – auf diesen Typus Macho-Sexist zielte Krenek.

Nach dem tödlichen Schuss ein Blackout – und dann stand da im Raumkubus die reizende Eve des Kleist-Lustspiels mit einem Apfel; aus den Drehwänden hinten griff immer wieder in reizvoller Anspielung auf Stummfilm-Horror des Expressionismus ein schwarzer Arm nach ihr. Dann drehte der Raum nach hinten und eine wüste Papierlandschaft aus lauter Aktenstücken nach vorne, ein vertrockneter Baumstamm in der Mitte. Dort saß erst Frau Brigitte samt Perücke, später war das der Richterstuhl, am Ende hingen dort die schiefen Waagschalen des Gerichts.

Hier lief die von Viktor Ullmann gut auf eine Stunde verknappte Handlung um den Dorfrichter Adam ab, der sich selbst überführen müsste. Das hatte der Staatsopern-Spielleiter und Regisseur Andreas Weirich sinnfällig inszeniert – bis hin zu der Anspielung, dass Eve nach der nächtlichen Attacke oben herum nur noch ein Leibchen trug: da ja Adam und sie zu allem schweigen – war da etwas zu verschweigen? Bei aller Spielfreude blieb doch erneut die Frage, ob Mägde 1920 schon schicke Hosenanzüge trugen und ein zerbrochener Krug in diesen Jahren ein „Fall“ war…

Musikdramatisches Niveau beeindruckte

Doch über alle dramaturgischen Einwände hinweg beeindruckte das musikdramatische Niveau. Zwar ließ Dirigent Karsten Januschke die heftigen Kontraste in Kreneks Musik – parallel zu zeitlos erschreckenden Textstellen wie „Gewalt reizt Gewalt“ - mehrfach etwas zu laut knallen, was die Szene noch etwas schwächer wirken ließ. Doch in Viktor Ullmanns pointierter Vielfalt und dann schönen Kantilenen blühte alles – und machte den Verlust vieler Werke des in Auschwitz ermordeten Komponisten erneut deutlich. Dazu schöne Solisten- Eindrücke: die sehr guten dunklen Stimmen von Boris Prýgl (Diktator), Oleg Davydov (Gerichtsrat Walter) und der kapitale Adam von Milan Silanov; erfreulicher Tenor-Nachwuchs hörbar von Galeano Salas (Blinder Offizier und Ruprecht) und Long Long (Gerichtsschreiber Licht), dazu durchweg gute Damen-Stimmen. Zurecht also ungetrübter Beifall für die musikalische Seite.

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