„Das ist halt Neue Musik.“ Zumindest versucht ein neunjähriges Mädchen, es so seinem kleinen Bruder zu erklären. Der hatte sich gerade noch die Ohren zugehalten, als der E-Bass laut aufjaulte, um sich anschließend mit den rumpelnden Klängen des Schlagwerks zu duellieren. Neugierig ist der junge Mann aber genau so wie der Rest der Kinderschar, die hier in der Black Box des Münchner Gasteigs auf eine musikalische Entdeckungsreise mitgenommen wird.
Zuerst soll dort mit verbundenen Augen den verschiedenen im Raum verteilten Instrumenten gelauscht werden. Auch wenn die meisten natürlich schnell zu schummeln anfangen und blinzeln, was ihnen da gerade von den Musikern ins Ohr gespielt wird. Am Ende treffen sich schließlich alle auf der Bühne zu einem Stück von Chick Corea, das so gut ankommt, dass der ursprünglich angekündigte Mozart von kaum jemandem mehr vermisst wird. Das Projekt „Musik zum Anfassen“ ist freilich nur ein Programmpunkt beim „Lautwechsel“, Münchens jüngstem Festival für zeitgenössische Klänge. Vier Tage lang konnte man dort bei durchgehend freiem Eintritt Kostproben aus der freien Musikszene der Stadt lauschen, die sich in zahlreichen Facetten präsentierte. Vom teils brachialen Lärm beim clubzwei, der uns zeigt, was sich aus Werkzeugen, Eimern und Metallmaßbändern an Tönen herausholen lässt, bis hin zu etwas leichter konsumierbaren Kompositionen für die Zuhörer von morgen.
Großen Anklang fand bei den Kleinen dabei unter anderem Helga Pogatschars Mini-Oper „Maus und Monster“. Ein märchenhaftes Musiktheater für Kinder und Unerwachsene, in dem Erzählerin Cornelia Melián und die Maus Gil das Publikum mit auf Monsterjagd nahmen. Da begegnete man so furchteinflößenden Kreaturen wie dem Basilisken oder der Sphinx, die von der Komponistin und dem Versus Vox Ensemble mit skurrilen Klängen ausgestattet wurden, die immer wieder für Schmunzeln sorgten.
Etwas ernster ging es dagegen zu späterer Stunde bei der Micro Oper München zu, wo Pogatschar ebenso wie sieben komponierende Kollegen ihren Teil zu „AMOR remixed“ beisteuerte. Ein Projekt, für das Claudio Monteverdis „Lamento della Ninfa“ als Spielvorlage diente, aus der die Nachfolger des Italieners nun ihre eigenen und höchst unterschiedlich gefärbten Versionen herausdestillierten. Mit Hilfe von Instrumenten wie dem indischen Harmonium, Tabla und Blockflöte sowie allerlei Elektronik, die an diesen vier Tagen zum roten Faden wurde. Wie die Arbeit eines Komponisten so allgemein abläuft, konnte man bei dieser Gelegenheit ebenfalls erfahren, und zwar in einem Gesprächskonzert mit Klaus Schedl, der auch schon einen kleinen Ausblick auf sein „Amazonas-Projekt“ bei der anstehenden Biennale gab. Andere Tonsetzer hüllten sich dagegen in Schweigen, wie die Griechin Eva Sindichakis, die zwar für die Uraufführung des Stückes „Matrix“ selbst am präparierten Flügel Platz nahm, dann allerdings die sphärischen Klänge lieber für sich sprechen ließ, mit denen das variantenreiche und dicht gedrängte Programm einen unerwartet ruhigen Ausklang fand.