Gut versteckt inmitten der Schorfheide, dem riesigen Biosphärenreservat 50 km nordöstlich Berlins, liegt der ehemalige sowjetische Militärflughafen Groß Dölln. Hier streikt das Navigationssystem. Ohne die Ausschilderung der Festival-Macher würde man sich beim Zick-Zack-Kurs über die Militärpiste mit Sicherheit verirren. Nach einer endlos erscheinenden Fahrt quer durch den märkischen Kiefernwald eröffnet sich ein überwältigendes Szenario: eine 90 Meter breite und knapp vier Kilometer lange von Hangars gesäumte Flugzeug-Landebahn.
Die Anlage wurde in den 50ern gebaut, war ein strategisch wichtiger Stützpunkt der Sowjet-Armee und vermuteter erster Atomwaffenstandort in Deutschland. Bis 1994 lebten hier 15.000 russische Soldaten und warteten auf den Einsatz ihrer Kampfjets. Frieden ist eingekehrt, jedenfalls auf dem Flughafen in der Schorfheide. Heute testen Autohersteller wie Audi in Zusammenarbeit mit einem Driving-Center hier ihre neuesten Modelle, das BKA trainiert seine Personenschützer und in der ersten Augustwoche zur Festspielzeit erklingt in einem für diesen Zweck umgebauten Hangar klassische Musik.
In nur fünf Jahren hat sich das Bebersee Festival als Kammermusikfest im reichhaltigen Konzertkalender Brandenburgs fest installiert. Für anspruchsvolle Musikprogramme bietet der ungewöhnliche Konzertsaal, akustisch vollwertig und an heißen Sommerabenden auf natürliche Weise angenehm klimatisiert, beste Voraussetzungen. Nur die Beleuchtung scheint verbesserungsbedürftig. Grelle Arbeitslampen pendeln über Musikern und Publikum . Für Flugzeugmechaniker mögen sie nützlich und notwendig sein. Bei Konzerten bereiten sie mit der Zeit unnötige Kopfschmerzen.
Als roter Faden im Programm diente dieses Jahr das Motto „Von West nach Ost“. Den Schwerpunkt auf der musikalischen Reise von Amerika über Europa nach Asien bildete Japan. 2005 jährte sich zum 60. Mal die Zerstörung Hiroshimas durch den ersten Atombombeneinsatz der Menschheitsgeschichte. In Anwesenheit der Schirmherrin des Festivals, Ministerin Johanna Wanka, wurde in Zusammenarbeit mit IPPNW-Concerts (Mitglied der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs, Friedensnobelpreisträger 1985) in zwei Veranstaltungen der Opfer von Hiroshima gedacht: Am 6. August, dem Jahrestag der atomaren Katastrophe, in einem Sonderkonzert mit Werken von Søren Nils Eichberg, Toru Takemitsu und Oliver Messiaen und am Vorabend mit einem Musikprogramm von Johann Sebastian Bach, György Kurtág und Charlotte Seither, das durch eine Lesung erweitert wurde. Der Schauspieler Ulrich Matthes sprach ausgewählte Texte und Zitate von Albert Einstein, Ernest Rutherford, Pierre Curie, William Lawrence, Edward Teller, Franklin D. Roosevelt, Robert Jungk und anderen.
Wie in den Vorjahren ist es dem künstlerischen Leiter, dem Pianisten Markus Groh, erstmalig unterstützt durch die künstlerische Beratung des Cellisten Claudio Bohórquez, gelungen, eine internationale Besetzung junger Musiker und Musikerinnen für ein ebenso internationales Programm zu gewinnen. Zu hören waren Werke von Leonard Bernstein, Samuel Barber, Mark-Anthony Turnage, Maurice Ravel, Ernst Bloch, Dimitri Schostakowitsch, Xiaoyong Chen, Tora Takemitsu und vielen andern. Hohes künstlerisches Niveau, Spielfreude und musikalisches Engagement ließen die Konzerte zum Hörgenuss werden. Ein begeistertes Publikum dankte es den Künstlern mit lang anhaltendem Applaus. Einerseits ist dem bemerkenswerten Festival eine noch viel größere Zuhörerschaft zu gönnen, andererseits – die Plätze im Hangar sind begrenzt – würde das ein Verlassen der einmaligen Spielstätte bedeuten. Das wäre wiederum überaus schade. Noch können sich Künstler und Publikum im Anschluss an die Konzerte im nahe gelegenen Hotel Groß Dölln, der provisorischen Festivalzentrale, treffen, unterhalten und ein oder mehrere Gläser auf den Erfolg leeren. Mit einem größeren Auditorium wäre das wohl nicht mehr möglich. Ganz egoistisch wünscht sich der Kritiker also, dass alles so bleibt wie es ist.
Das Bebersee Festival setzt neu interpretiert die Tradition der abseits der Musikmetropolen von renommierten Musikern gegründeten Kammermusikfestivals fort und war im letzten Jahr Preisträger des Brandenburgischen Tourismuspreises für die ,,innovative Verzahnung von Kultur und Tourismus“. Mit den Beberseer Soiréen in der Alten Schule des kleinen Künstlerdorfs unterstützt der Förderverein Beberseer Konzertwochen e.V. in Zusammenarbeit mit Professoren deutscher Musikhochschulen gezielt begabte Studierende und junge Preisträger.