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Steffi Fischer (Winde), Sofia Pavone (Dämonia), Sonja Isabel Reuter (Röschen). Foto: Foto: Clemens Heidrich

Steffi Fischer (Winde), Sofia Pavone (Dämonia), Sonja Isabel Reuter (Röschen). Foto: Foto: Clemens Heidrich.

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Wachgeküsst? – Humperdincks „Dornröschen“ in Hildesheim

Vorspann / Teaser

Lohnt es, die anderen Märchenopern Engelbert Humperdincks aus dem Schatten von „Hänsel und Gretel“ zu holen? Das Theater für Niedersachsen in Hildesheim hat mit „Dornröschen“ einen Versuch gewagt.

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2014 wurde die deutsche Theater- und Orchesterlandschaft als Immaterielles Kulturerbe von der UNESCO geadelt. Jahr für Jahr erweisen sich die zahlreichen deutschen Opernhäuser der Ehrung würdig. Dass zum Beispiel die Opernsparte des Theaters für Niedersachsen in Hildesheim unter seinen vier Premieren der laufenden Spielzeit mit „La Bohème“ nur eine sichere Bank ansetzt, daneben drei Risikoproduktionen mit „Wenn ich König wär“ von Adolphe Adam, „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ von Stephen Pauls und dem hier zu vermeldenden „Dornröschen“ von Engelbert Humperdinck, das zeugt von Mut und Vertrauen auf das örtliche Publikum.

„Hänsel und Gretel“ kennt jeder, „Königskinder“ mancher, „Dornröschen“ aber nur wenige. 550 Zuschauer im ausverkauften Haus in Hildesheim lernten die Märchenoper am 17. Februar kennen.

„Dornröschen“ liegt natürlich das Märchen der Brüder Grimm zugrunde. Das Libretto von Elisabeth Ebeling und Bertha Lehmann-Filhés fügt dem klaren Plot allerdings einiges Rankwerk hinzu. So muss der Prinz eine Ehrenrunde durch Sonne, Mond und Sterne drehen, ehe er die Schlüssel für das Schloss in den Händen hält, die den Weg zur schlafenden Prinzessin öffnen. Um nicht pures Abbild zu bieten, gestattet sich die Regisseurin Catharina von Bülow auch noch eigene Zugaben. Die böse Fee Dämonia liebt den Prinzen. Zwar bekommt sie ihn nicht, doch darf sie überleben und am freudigen Hochzeitsschlusssbild dabei sein.

Die Frankfurter Uraufführung von 1902 gefiel dem Publikum, bei bei Kritik fiel sie allerdings weitgehend durch. Von einem „gänzlich unwürdigen Text“ und „einer trivialen Unterhaltungsmusik“ sprach ein Kritiker, von „farbloser, wässeriger Melodik“ ein anderer. 

Ein sonderbar Ding, das ist dieses Musiktheaterwerk. Soll man es überhaupt Oper nennen? Die besonders im ersten Teil langen Sprechpassagen machen „Dornröschen“ eher zu einem Singspiel oder zu einem Schauspiel mit Bühnenmusik. Gleichwohl ist dies kein Kammerspiel. Das Orchester (Leitung: Achim Falkenhausen) ist üppig, das Rollenverzeichnis ungewöhnlich lang. Ein Kraftakt ist erforderlich, um all das auf die Bühne zu bringen. Optisch gelang dies ohne Einschränkungen. Vor allem die überbordend fantasievollen Kostüme von Moni Gora und ihre passenden Bühnenbilder (wunderbar märchenhaft des Prinzen Himmelfahrt!) ließen keine Langeweile aufkommen.

Was irritierte, waren die Sprechpartien. Die Darsteller rezitierten sie nicht selbst, denn die Texte kamen über Lautsprecher. „So wird ihre innere Haltung sichtbar durch eine der Welt enthobene Ausdrucksmöglichkeit“, erklärte man im Programmheft. Einzuleuchten vermochte das nicht.

Die Musik ist sicherlich nicht aus einem Guss wie bei dem neun Jahre älteren Erfolgsstück „Hänsel und Gretel“. Aber sie beweist durchaus Einfallsreichtum und Farbigkeit. Neben wagnerschem Wabern gibt es auch viele durchsichtigere Stellen. Hübsch das Mendelssohn-Sommernachtstraum-Zitat ganz am Beginn des Vorspiels. 

Das Orchester und das sehr junge Ensemble (in den Hauptrollen Sonja Isabel Reuter als Dornröschen, Julian Rohde als Prinz und Sofia Pavone als Dämonia) trugen zu einem Opernabend mit Seltenheitswert bei. Dem Publikum hat er gut gefallen.

Ist das „Dornröschen“ nun wachgeküsst oder muss es wieder in Schlaf fallen? Man wird sehen. Weitere Versuche sind wünschenswert.

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