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Vier dunkel gekleidete Figuren mit dem Mond und kahlen Bäumen im Hintergrund.

Das Ensemble kommt wegen des abgedeckten Orchestergrabens sehr präsent und mit wenig Distanz über die Bühne. Foto: Ingo Höhn

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Wagners „Götterdämmerung“ wird in Basel zur nahbaren „Menschendämmerung“

Vorspann / Teaser

Da sitzen sie nun an einem langen Tisch, die beiden alten weißen Männer und schauen mit leerem Blick ins Publikum. Gerade haben sie sich noch um den aus dem Rheingold geschmiedeten, Weltmacht versprechenden Ring gestritten. Glücklich sehen Wotan und Alberich am Ende dieser „Götterdämmerung“ jedenfalls nicht aus, eher erschöpft und deprimiert. Und auch der Ring ist so unwichtig geworden, dass ihn Wotan vom Finger streift. Wotans verstoßene Tochter Brünnhilde reitet nicht wie in Richard Wagners Vorlage auf ihrem Pferd Grane in ein selbst gelegtes Feuer, sondern hat keine Lust darauf, sich zu opfern. Am Theater Basel steckt sie nur das Modell des Walhalls in Brand. Und schreitet mit den anderen Protagonisten, die überlebt haben, und dem Chor auf die verklärten Schlussklänge in den Zuschauerraum. Ein Neuanfang ist möglich, erzählt dieses starke Schlussbild. Am Ende wird das Finale des Basler „Ring des Nibelungen“ im nicht ausverkauften Theater vom Publikum mit stehenden Ovationen gefeiert. Und Regisseur und Intendant Benedikt von Peter lächelt entspannt ins Publikum. 

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Wie einst der Komponist, der zunächst das Libretto der „Götterdämmerung“ noch unter dem Namen „Siegfrieds Tod“ geschrieben hatte, denkt der Regisseur den „Ring“ vom Ende her. Die von ihm intendierte Emanzipation Brünnhildes von ihrem patriarchalischen Vater Wotan lässt sie zur zentralen Figur im Inszenierungskonzept werden (Co-Regie: Caterina Cianfarini). Eigentlich sollte Brünnhilde zu Beginn der „Götterdämmerung“ noch schlafend im Feuerkranz liegen. In Basel geistert sie mit gerunzelter Stirn auf der dunklen Bühne herum. Dazu eine Stimme aus dem Off: „Wach auf, Brünnhilde.“

Brünnhilde betrachtet ihre Familiengeschichte von außen, ist aber auch Teil von ihr. Das sorgt immer wieder für logische Brüche, wenn sie zum Beispiel im ersten Aufzug schon als stumme Figur Siegfrieds Untreue im Liebeswerben um Gutrune (solide: Heather Engebretson) schmerzvoll beobachtet hat, später aber trotzdem jubelt, wenn sie Siegfrieds Horn erschallen hört. Da helfen auch die eingesprochenen Texte nicht weiter, sondern stören, weil sie die musikalische Spannung brechen und mit Sätzen wie „Wo bist Du, Siegfried?“ und „Wo hat all das begonnen“? allzu küchenpsychologisch daherkommen. Trine Møller versteht es trotzdem, der Figur Dringlichkeit zu verleihen. In der Tiefe fehlt es ihrem schlanken, dennoch tragfähigen Sopran noch an Volumen, aber ihre Rollenzeichnung zeigt viele Nuancen zwischen lyrisch und dramatisch. Eine wehrhafte Frau mit einem reichen Innenleben! 

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Vorne steht eine Frau und blickt in den Zuschauerraum. Im hintegrund ein kleines Häusschen aus einzelnen Stäben und kahle Bäume mit dem Mond hinter ihnen.

Das Bühnenbild macht aus der Götterdämmerung eine Menschendämmerung. Foto: Ingo Höhn

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Auf der Bühne stehen ein offenes Einfamilienhaus und fünf kahle Bäume (Bühnenbild: Natascha von Steiger). Nach dem Prolog, in dem die drei Nornen (dunkel timbriert: Marta Herman, Jasmin Etezadzadeh, Sarah Marie Kramer) in abgeranzten Glitzerkleidern in die Zukunft schauen und Siegfried in Unterhose (mit hellem, leuchtendem, etwas einfarbigem Tenor, der nur am Ende an Strahlkraft verliert: Rolf Romei) Brünnhilde auf ihrer Matratze vom Schlaf erlöst (Kostüme: Katrin Lea Tag), um sich danach einen Kaffee einzugießen, fährt der Umzugswagen vor. Die Gibichungen-Halle wird eingerichtet. Statt Götter treten hier erstmals Menschen im „Ring“ auf.

Gunter (zu schwachbrüstig: Günter Papendell) schwingt den Putzwedel, Hagen (mit kräftigem, aber zu unausgeglichenem Bass: Patrick Zielke) bläst auf dem Staubsaugerrohr Siegfrieds Hornruf. Das Kriegsvolk ist Partygemeinde (klangvoll: Chor des Theaters Basel/Leitung: Michael Clark), die Gewehre schießen Luftschlangen statt Kugeln. Wie in den vorigen „Ring“-Teilen schaut immer mal wieder Wotan grinsend vorbei und kehren auch die Riesenpuppen zurück – am Lebendigsten bei Siegfrieds Begegnung mit den Rheintöchtern (perfekt ausbalanciert: Harpa Ósk Björnsdóttir, Valentina Stadler, Sophie Kidwell). Aber auch wenn Siegfried in Begleitung von Drache, Kröte (Alberich) und Wölfen (das Wälsungen-Paar) auf einem echtem Pferd gen Rhein reitet, entfaltet dies große theatralische Wirkung. Szenisch am Stärksten und ganz ungebrochen gelingt Waltrautes Besuch (stark: Jasmin Etezadzadeh) bei Brünnhilde.

Das liegt auch an der räumlichen Nähe der Sängerinnen. Das im erweiterten, bedeckten Orchestergraben unter der Bühne sitzende Sinfonieorchester Basel (Leitung: Jonathan Nott) ermöglicht diese Präsenz – auch die Balance ist ausgezeichnet, die Sängerinnen und Sänger müssen nie forcieren. Dass der Orchesterklang durch die Positionierung trotz leichter Verstärkung an Plastizität und Klangfarben verliert, ist einkalkuliert in das Regiekonzept. Leider stimmt es am Premierenabend häufig im Detail nicht. Schon der allererste Einsatz ist nicht zusammen. Selbst Hits wie Siegfrieds Trauermarsch sind rhythmisch nicht exakt musiziert. Aber dafür zaubern immer wieder die Holzbläser. Und Jonathan Nott bringt Wagners Musik zum Fließen.  

Weitere Termine „Götterdämmerung“: 10./15./20./26.10. 2024 Ganzer „Ring“: 20./21./23./25. Mai, 4./5./7./9. Juni 2025. Tickets unter  www.theater-basel.ch oder tel. unter 0041 61 2951133

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