Hauptbild
Redoute in Reuß. Foto: Ronny Ristok

Redoute in Reuß. Foto: Ronny Ristok

Hauptrubrik
Banner Full-Size

Walzerdiplomatie in Reuß-Greiz-Schleiz – Operettenglück in Gera

Vorspann / Teaser

Die Uraufführung der Operette „Redoute in Reuß“ zum Libretto von Sophie Jira und der von Olav Kröger bearbeiteten Musik von Johann Strauß begeisterte das Publikum.

Publikationsdatum
Paragraphs
Text

Gerade übertrug der Kultursender 3sat live den diesjährigen Wiener Opernball; diesen luxuriösen Anachronismus, der in Österreich so identitätsbildend wirkt, dass man unser Nachbarland ohne Risiko und Nebenwirkungen auch als eine Operettenrepublik bezeichnen kann. Der Exportschlager Neujahrskonzert ist dann das Sahnehäubchen auf der Nostalgie-Melange. Noch in derselben Woche bat im Theater Gera, einem der einst (klein-)fürstlichen Opernschmuckschatullen, zum ebenso anachronistischen Luxus einer neuen Operette. Sie heißt „Redoute in Reuß“ und die Musik lieferte – eher mehr als weniger – kein anderer als der Wiener Walzerkönig Johann Strauß Sohn. Man könnte auch sagen Johann Strauss II. Zum Personaltableau, das Sophie Jira für diese Operette zusammengestellt hat, gehören nämlich sage und schreibe acht Reuß-Prinzen, die nach einer Tradition dieses Fürstenhauses allesamt Heinrich heißen, und nur mit römischen Ziffern durchnummeriert sind. (So kommt übrigens auch der aus der braven nachfeudalen Art geschlagene Heinrich, der als Reichsbürger derzeit für Kopfschütteln und einen Prozess sorgt, zu seiner Nummer XIII.) 

Wenn an diesem Abend auf der Bühne eine der Damen laut Heinrich ruft, dann antworten fast alle der Uniformträger mit „hier“. Das Libretto von Sophie Jira ist auf die Auswahl der Strauß-Musiknummern passgenau zugeschnitten, die Olav Kröger geschickt bearbeitet und zu einem Pasticcio gefügt hat. Es funktioniert auch in den gesprochenen Passagen wie geschmiert. Das knallchargt zwar manchmal auch, aber wenn es von der Preußenfraktion des Minifürstenhauses kommt, dann passt auch das irgendwie. Genauso wie die kleinen Pointen, die immer wieder aus dem Text selbst aufsteigen. Der Ton, den Jira hier anschlägt, schwebt immer eine Handbreit über dem Boden einer historischen Ernsthaftigkeit, bei der die Eck- und Rahmendaten stimmen. Natürlich nimmt sie den Adel (respektive er sich selbst) satirisch gehörig aufs Korn – wie auch nicht, bei so viel Mathematik bei der Namensgebung. Aber es schwingt immer auch eine Sympathie mit den „Kleinen“ in ihrem Selbstbehauptungskampf gegen die „Großen“ (vor allem in Berlin und Wien) mit. Dass die Heinriche mehr zu Wien tendieren, hat den Vorzug, dass auch die Reußen auf dem Wiener Kongress mittanzen dürfen, dessen Einberufung der reitende Bote aus Paris vor dem Finale verkündet. Dass es hier darum geht, die Abreise nach Wien „meiner Kenntnis nach unverzüglich“ umzusetzen, ging beinahe im kollektiven Auflachen des Publikums unter. Soviel lebendige, zumindest für jeden Ostdeutschen erinnerte Vergangenheit war dann doch in dem Text, der ansonsten geschickt die zweihundert Jahre zwischen heute und 1814 überspielt. 

Bild
„Redoute in Reuß“ am Theater Gera. Foto: Ronny Ristok

„Redoute in Reuß“ am Theater Gera. Foto: Ronny Ristok

Text

Die Grenzen des Genre jedenfalls werden respektiert. Nicht zuletzt der Hausherr Kay Kuntze (Regie), Martin Fischer (Bühne) und Andrea Eisensee (Kostüme) sorgen mit ihrer liebevoll historisierenden Zeitreise nach Schloss Osterstein dafür, dessen Möglichkeiten auf Komödientrab zu bringen. Zusammen mit dem, was Thomas Wicklein an Strauß-Schmankerln mit dem Orchester des Theaters Altenburg Gera musikalisch leuchten lässt, werden die knapp drei Bruttostunden zum reinen Vergnügen. Auch wenn man an der einen oder anderen Stelle noch ein bissl kürzen könnte. 

Gleichwohl trägt und punktet der Plot mit gut abgehangenen, aber eben auch bewährten Versatzstücken. Der XIX. Heinrich von Reuß-Greiz (sehr präsent und spielfreudig: Johannes Pietzonka) will sich mit der Redoute an die Österreicher ranschmeißen, weil sein eingelandener Wiener Freund Graf Ferdinand von Herzmansthal (Johannes Beck wienert hinreichend) ein Vetter von Fürst Metternich ist. An seiner Seite der Zeremonienmeister Emmerich Horch von Guckendorf. Für diese (Nomen-est-omen-) Sprechrolle stand wohl der Fledermaus-Frosch Pate und für seinen Bühnenhabitus bei Johannes Emmrich wahrscheinlich der Komiker Olaf Schubert. Da die Verwandtschaft nur antritt, wenn es einen Anlass gibt, wird eine Verlobung angekündigt, die gar nicht beabsichtigt ist. Operettengerecht gibt es am Ende dann aber sogar zwei. Sogar mit politischem Mehrwert für die anvisierte Protektion aus Wien. Die walzerkundige, aus Wien mitgereiste Nichte Gabriele von Herzmansthal (mit Wiener Grandezza: Anne Preuß) und der Preußenfan im Reußer Außenministerium Balduin Graf Zedlau (mit zackiger Präsenz: Alexander Voigt) finden ebenso zusammen, wie ihr charmierender Onkel Ferdinand und die Schleizer Prinzessin Adelheid. Julia Gromball gibt mit blitzsauberen Höhen obendrein einen Auftritt als maskierte italienische Primadonna. Wobei einem auch deren Klänge der Heimat nicht nur komisch, sondern auch vertraut vorkommen. Bei der eigentlichen Redoute im mittleren Ball-Akt werden dann alle Register gezogen. Samt Kinderchor und Reußen-Hymne. Da der in Wien schon als anzüglich verpönte Walzer bei den Reußen noch nicht mal angekommen ist werden Gabrieles Versuche ihn einzuführen, zu einem Treibsatz fürs Ballchaos, zu dem die falsche Primadonna ebenso beiträgt und wie dann der verwegene Auftritt der sagenumwogenen hochstapelnden Tänzerin Mona Lopez (alias Lola Montez) und ihrer Truppe.

Es ist nicht das erste Johann-Strauss-Pasticcio – „Wiener Blut“ ist der berühmte Vorgänger, bei dem Graf Zedlau ja auch schon dabei ist und das reale Fürstentum Reuß-Greiz-Schleiz schon zu ersten Operettenstaat-Ehren kam. Inhaltlich ist die „Redoute in Reuß“ historisch dem tanzenden Wiener Kongress und beziehungstechnisch dem „Wiener Blut“ vorgelagert. Was für ein Glück! Diese aus alt mach neu Operette ist natürlich eng mit dem Ort der Uraufführung verbunden. Aber man muss ja nicht mehr mit der Postkutsche nach Gera reisen!

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!