„Wenn es für Produktionsengpässe und musikalische Lieferkettenunterbrechungen der Pandemie eine emblematische neue Oper gibt, ist dies ‚opera! opera! opera! Revenants and Revolutions‘ von Thomas Köck und Ole Hübner.“ So hat unser Autor Roland Dippel sehr treffend seinen nmz-Online-Bericht zur Premiere der „operativen Installation“ eingeleitet, die unter dem Titel „Opera und ihr Double“ in der Münchner Utopia-Halle zu sehen war. Die Produktion gehörte noch zum 2020er-Jahrgang der Münchner Biennale für neues Musiktheater und konnte dann auch heuer nicht in der ursprünglichen Form als große Choroper über die Bühne gehen.
Stattdessen war also ein durchaus zur aktuellen Lage und Stimmung passender installativer Abgesang auf die Gattung zu sehen, akustisch zusammengehalten durch den Mitschnitt einiger längerer Passagen von der seinerzeit als koproduzierende Bühne beteiligten Oper Halle. Die erweisen sich in ihrer gebrochenen Opulenz als durchaus stark genug, um die zunächst ziellos durch die von Martin Miotk absichtsvoll nachlässig hingeworfenen Requisitentrümmer wandelnden Besucher in ihren Bann zu ziehen.
Nachdem man an der Festgesellschaft vorbei – zusammengesunkene Politikerpuppen inklusive gespenstischer Putin-Zwillinge – den „festlichen Opernabend“ unter dem Wappen der Deutschen Grammophongesellschaft betreten und das Tableau „Deutschland im Herbst“ (ein Puzzle aus 83 Millionen Teilen …) sowie gigantische Schwarzbrotscheiben bewundert hat, kann man sich getrost auf die Musik einlassen. Hier tritt ein Cyborg – die Passagen für Countertenor Michael Taylor klingen wie entfernte Echos einer für Peter Pears geschriebenen Partie Benjamin Brittens – in Zwiesprache mit den von Hübner fast süffig auskomponierten Chorpassagen. Videoanimationen des Regisseurs Michael v. zur Mühlen lassen erahnen, wie das auf der Bühne ausgesehen haben könnte – oder auch nicht.
„Why do we still talk about opera – why do we still listen to opera?“ Was der Hübner’sche Chor deklamierend fragt, könnte auch ein Motto für die Biennale insgesamt sein, die nach der Restaufarbeitung des pandemischen Jahrgangs auf einen regulären Durchgang vom 7. bis 16. Mai hofft. Unter dem Motto „Good Friends“ haben die künstlerischen Leiter Daniel Ott und Manos Tsangaris Komponist*innen und Autor*innen eingeladen, „über Freundschaften – persönliche wie politische –, über Verbündete und übergroße ‚Freunde‘ nachzudenken und im gemeinsamen Schaffensprozess Allianzen und Verbindungen einzugehen“, so ihr programmatischer Text. Darunter sind Bernhard Gander, Ann Cleare, Yoav Pasovsky, Lucia Kilger, Nicolas Berge, Øyvind Torvund sowie – in Kooperation mit der Hochschule für Musik und Theater – Polina Korobkova. Ergänzt wird der Aufführungskalender unter anderem um das von David Roesner (LMU München) und Jörn-Peter Hiekel (HfM Dresden) konzipierte Campus-Programm mit Studierenden und in Zusammenarbeit mit der Münchner Volkshochschule um eine Biennale-Werkstatt zur Produktion „The Little Lives“ von Ann Cleare sowie eine Kompositionswerkstatt mit Daniel Ott.