Dass zu den vielen kleinen und großen Festivals für neue Musik irgendwo in der Welt ein weiteres hinzukommt oder eines verschwindet, ist angesichts der Vielzahl verschiedenster lokaler und internationaler Veranstaltungstypen nichts Ungewöhnliches. Aufhorchen lässt jedoch, wenn in einem ausgewiesenen Zentrum für zeitgenössische Musik wie Köln ein größeres Festival beendet und stattdessen ein neues an den Start gebracht wird. An die Stelle der seit 1994 existierenden „MusikTriennale Köln“ treten nun die „Acht Brücken – Musik für Köln“. Dieser Schritt war überfällig, denn trotz erheblichem personellem und finanziellem Aufwand blieb die Triennale unprofiliert und bis auf wenige Ausnahmeveranstaltungen ohne Ausstrahlung über Köln hinaus, so dass auch die Resonanz bei Publikum, Presse und Politik schwand. Immerhin bot man im Dreijahresabstand zwischen viel buntem Allerlei auch jeweils einen erkennbaren Schwerpunkt auf dem Schaffen eines großen toten Komponisten: 2004 Nono, 2007 Berio und 2010 Stockhausen.
Und eben diese Komponistenporträts setzt dieselbe Betreibergesellschaft nun unter neuem Titel mit Pierre Boulez fort. So hat man es bei den „Acht Brücken“ lediglich mit einer von drei Wochen auf acht Tage abgespeckten und neu verpackten Ausgliederung des besten Teils des bisherigen Festivals zu tun. Das ist wenig originell und hinkt auch den großen Porträts zu Boulez’ 85. Geburtstag im letzten Jahr hinterher. Ein Neuanfang sieht anders aus. Gleichwohl kann sich der Kölner Boulez-Fokus sehen und hören lassen. Vom 8. bis 15. Mai sind teils selten gespielte Schlüsselwerke zu erleben, darunter „Marteau“, „Répons“ und „Pli selon pli“. Und neben der Musik des Altmeisters gibt es am Rande auch Uraufführungen der jungen Kölner Komponisten Rodrigo López Klingenfuss, Mark Steinhäuser, Oxana Omelchuk, Steffen Krebber und Julien Jamet.
Dass die einstige „Welthauptstadt der neuen Musik“ zwar über viele kleine Lokalfestivals Neuer Musik verfügt, aber kein nationales, geschweige denn international ausstrahlendes Musikfest aufzuweisen hat, liegt auch daran, dass der in der Millionenstadt am Rhein ansässige WDR seine renommierten „Wittener Tage für neue Kammermusik“ lieber in akustisch zweifelhaften Räumen am Südrand des Ruhrgebiets veranstaltet. Dort ist vom 6. bis 8. Mai der weitere Horizont dessen zu erleben, was die Kölner Krücken nur im Untertitel ankündigen: „Frankreich und die Moderne“. Dank des Pariser Ensembles „L’instant donné“ gibt es zahlreiche Uraufführungen französischer oder in Frankreich ausgebildeter und lebender Komponisten, von Gérard Pesson, Pascal Dusapin, Frédéric Pattar, Chikage Imai, Anthony Cheung, Vassos Nicolaou, Peter Eötvös, Misato Mochizuki und Stefano Gervasoni, dem ein eigener Schwerpunkt gewidmet ist. Hinzu kommen neue Werke von Manos Tsangaris, Daniel Ott, Alberto Posadas, Rebecca Saunders, Eduardo Moguillansky, Michael Meierhof, Heinz Holliger, Harrison Birtwistle, Hans Zender und Arnulf Hermann.
Weitere Uraufführungen
3.5.: Toshio Hosokawa, Matsukaze, Oper in einem Akt, La Monnaie Brüssel
9.5.: Thomas Daniel Schlee, Was wir sind, Theater im Pfalzbau Ludwigshafen
20.5.: Salvatore Sciarrino, Superflumina, Nationaltheater Mannheim
Bernhard Gander, melting pot für Orchester, Donau Zentrum Wien
25.5.: Harald Muenz, fein… auflösend, Alte Feuerwache Köln
27.5.: Bernd Franke, Toru Nakatani, Caspar de Gelmini, neue Orchesterwerke, musica viva Herkulessaal der Residenz München
30.5.: Moritz Eggert, Mannheimer Schule für Orchester, Rosengarten Mannheim
Fazil Say, Cleopatra für Violine solo, Internationaler Violinwettbewerb Henri Marteau Hof