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Warum so? – Frau Bang (Mitte) und Frau Kim unterrichten Herrn Nam. Foto: Gerhard Stäbler
Warum so? – Frau Bang (Mitte) und Frau Kim unterrichten Herrn Nam. Foto: Gerhard Stäbler
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West-östlicher Wintertraum

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Zum 1. Internationalen Workshop für neue Performancekunst in Düsseldorf
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Frau Bang lacht. Etwas verlegen, als ob Sie jetzt Dinge erzählen sollte, die man eigentlich ungern erzählt. Das Alter, Ärger mit dem Finanzamt, solche Sachen. Dabei war die Frage doch nur, was Frau Bang von Beruf ist. Die Reaktion: ein kurzes Zögern, ein suchender Blick zur Seite und dann dieses mehr geflüsterte, unter einem Lachen versteckte: „Ich bin Komponistin“. Ein Dialog ent­spinnt sich.

Es geht um Befindlich­keiten, um Mentalitäten West/Ost. Bei ihr zu Hause in Korea, sagt Frau Bang, würden die Leute, wenn sie ihren Beruf nennt, immer erstaunt die Augenbrauen hochziehen. Was hierzulande zwar auch nicht anders ist, nur eben, dass der oder die Befragte darüber kaum in Verlegenheit geraten würde, eher im Gegenteil. Andererseits, heißt es daraufhin, lächelt man in Korea immer, wenn man etwas sagt. Wer dies lächelnd sagt, ist Kunsu Shim. Zusammen mit Gerhard Stäbler bildet er die künstlerische Leitung dieses „1. Internationa­len Workshops für neue Perfor­mance­­kunst“, in welcher Funktion beide Akteure eben­so trittsicher und souverän auftreten wie Shim als Dolmetscher im Gespräch mit Frau Bang, Frau Kim und Herrn Nam.

work – control – harmony

Letzterer ist ein bis zwei Köpfe größer als die Damen Kim und Bang, aber mit seinen sechzehn Jahren auch schon ein (wie er fest glaubt) angehender Komponist. Die Woche über hat er an einer Performance gearbeitet, bei der ein Vokalquartett an einem gedeckten Tisch sitzt und nacheinander zu singen anfängt, wenn Spielkarten aufgedeckt werden. Dahinter steht eine jugendliche Kunstphilosophie des „Corriger la fortune“. In seinen „performer notes“ hat der hochgeschossene Nam alles klar notiert. „Our lives take place by chances that are out of our control, my work is the harmony made of countless chances.“ Womit er ganz nebenbei das Stichwort für den Kurs geliefert hat. Was „work“ heißt und heißen will, kann für Stäbler/Shim alles sein, nur „out of control“ kann und darf es nicht sein.

Darum kreisen die Korrekturen und die Kommentare. Wie man geht, steht und sitzt, vor allem wie man auf eine Bühne geht, wie man auf einem Stuhl Platz nimmt, wie man Aktionen klar macht, wohin man dabei schaut und nicht, wie groß Steine sein müssen, wenn man sie als Klangkörper nutzen will, ob Plastikflaschen dafür geeignet sind oder nicht, wie man sie wirft oder, ob man es besser bleiben lässt und weshalb man Bewegungen, Aktionen der anderen lieber nicht kopiert – all dies ist permanentes Kursthema, ist insgesamt so etwas wie das kleine Einmaleins des Performance­künstlers, von Gerhard Stäbler im allgemeinen mehr mit ernstem, von Kunsu Shim mit lächelndem Mienenspiel wieder und wieder ventiliert, variiert. Byeong-Jun Nam lächelt auch. Ob er die Lektion verstanden hat?

Immerhin, sein „Chance, Emotions and Sound für vier Performer“ steht schon einmal auf dem Programm des Workshop­konzerts, auf dem achtzehn junge mehrheitlich Koreanerinnen die Kursergebnisse dieser ersten Akademie-Ausgabe „Winterträume“ präsentieren sollen.

Schöne Schloss-Kulissen

Auch wenn in dieser zweiten Januar­woche noch immer kein Schnee gefallen ist – der hochpoetische Name für diese internationale Performer-Akademie passt schon kongenial zur Umgebung, zu Schloss und Park Benrath im Süden der Landeshaupt­stadt Düsseldorf. Das Ambiente ist jedenfalls First Class. Sicher, über die Jahre gesehen hatte sich der Eindruck festgesetzt, dass die Bespielung des Ortes ein wenig auf der Stelle tritt: Führungen „Verborgene Räume“, Wandelkonzerte, Freiluftkonzerte ohne, Feuerwerkskonzerte mit Picknick. Das Erwartbare. Performer jedenfalls, wie sie Stäbler/Shim im Schlepp­tau haben, hatte man hier noch nicht.

Was entschieden kein Argument ist für den vor zwei Jahren neu bestellten Hausherrn. Stefan Schweizer, ein in der europäi­schen Gartenkunst ausgewiesener Wissen­schaftler, freut sich über den koreanischen Besuch. Als aufgeschlossener Geist hat er den Performern in Gestalt der „Kapelle“ im Ostflügel einen exzellenten Proben­raum mit Flügel und bespielbarer Empore aufgeschlossen. Soviel ist klar: Jeder der beiden Seiten erhofft sich Vorteile von der Kooperation. Die neue Schloss-Direktion Impulse für einen Repräsentationsbau des aufgeklärten Fürstentums, das hier kurioserweise zu keiner Zeit ein wirkliches Hof­leben etabliert hat, und die Künstler die zur Konzentration einladende Atmosphäre einer inspirierenden architektonischen Kulisse.

Apropos. Letztere überzeugt alle. Namentlich die Koreaner. Schauen sie aus dem Fenster, finden sie die Anknüpfungen für ihr um „harmony“, um die Spielarten des Naturbildhaft-Symbolistischen kreisendes Kunstdenken. Die Mitteilung jedenfalls, dass da draußen auch schon die Familie Robert und Clara Schumann spazieren gegangen ist, sorgt in der Runde für beifälliges Staunen. „Et ego in Arcadia!“, geht es erkennbar durch die Köpfe.

Mehr Licht

Was haben achtzehn jugendliche Koreaner davon, wenn sie einen von Gerhard Stäbler und Kunsu Shim geleiteten Performance-Workshop besuchen? Warum scheuen sie weder Kosten noch Mühen, um mitzutun beim Winterträumen in Schloss Benrath? Erkennbar der Dreh- und Angelpunkt dieser internationalen west-östlichen Performance-Akademie. Eine Frage, zu der Frau Kim jetzt unbedingt eine Mitteilung machen möchte. Im Gespräch hatte sie sich zurückgehalten, hatte viel gelächelt, obwohl sie als Hochschul-Professorin in Busan, Daegu und Seoul zweifellos die Erfahrenste der Gruppe ist. Und die, die hier neben ihr sitzen, Huiyeon Bang und der junge Nam, das sind im Grunde ihre Schüler, von denen sie während des Kurses (wie alle Teilnehmer) perma­nent Handy-Fotos schießt. So still sie ansonsten ist, jetzt, da der Journalist diese Frage gestellt hat, muss sie unbedingt etwas loswerden!

Frau Kim spricht jetzt sehr schnell. Sie erzählt von einer Instrumentalstudentin. Eine Geschichte, die sich vor ein paar Jahren zugetragen hat. Die Person, von der die Professorin fast atemlos berichtet, war eine eher mittelmäßige Studentin, die an einer eher mittelmäßigen Hochschule in Korea immer die gleichen mittelmäßigen Inter­pre­tationen der immer gleichen Stücke aus dem Repertoire für ihr Instrument vorzu­tragen pflegte. Niemand kannte sie. Wozu auch. Bis sich die Unscheinbare zu einem folgenschweren Entschluss durchgerungen hatte. Über Nacht stand für sie fest: Ich gehe nach Europa, studiere an einer deutschen Hochschule! Niemand weinte ihr eine Träne nach. Gut trainiert wie sie war, schaffte sie die Aufnahme­prüfung – und auf einmal passierte etwas mit ihr. Zurück­gekehrt nach Korea rieb man sich die Augen. Wie das? Woher ist diese Graumaus plötzlich in der Lage, so wunderbar durchgehörte, individuell gestaltete Interpretationen vorzutragen? Der Fall der Studentin, in der ein Licht aufgegangen war, machte die Runde. – Frau Kim ist zu Ende und schaut auf, erwartungsvoll. Ja, verstanden.

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