Die jährlich stattfindenden „Homburger Kammermusiktage“ in der zweiten Junihälfte, in den 80er-Jahren von dem Cellisten Claus Kanngießer begründet, werden seit 2001 künstlerisch jedoch vom Vogler-Quartett geleitet, unterstützt von den überaus rührigen „Kammermusikfreunden Saar-Pfalz e.V.“ Damit hat sich neben den überregional gleichermaßen geschätzten „Homburger Meisterkonzerten“, wo sich mit Rostropowitsch, Ashkenazy, Agerich, Mutter die Besten der Welt die Klinke in die Hand drücken, und einer hörenswerten Jazz-Reihe im Sommer ein drittes Event etabliert, das vielleicht anders als namhaftere Festspiele durch seinen familiären Charme besticht. Dazu gehören die privaten „Après concerts“ ebenso wie die offenen und eintrittsfreien Proben vor allem für die schulische Jugend, was in diesem Jahr den saarländischen Kulturminister bewogen hat, als einer der vielen Sponsoren und Förderer die Schirmherrschaft zu übernehmen.
Der Programmschwerpunkt in diesem Jahr war die Wiedererweckung vergessener oder gar unterdrückter Werke der „Neuen Jüdischen Schule“, für die Namen wie Grigori Krejn, Joseph Achron, Israel Brandmann oder Simeon Bellison stehen. Man musste sie in verstaubten russischen, polnischen oder israelischen Archiven erst mühsam auffinden. Bei der Spurensuche hatten Primarius Tim Vogler, Frank Reinecke (2. Violine), Stefan Fehlandt (Viola) und Stephan Forck (Cello) engagierte Helfer, vor allem im russischen Musikwissenschaftler und Pianisten Jascha Nemtsov, einem wahren Spezialisten im Klavierbegleiten, oder im israelischen Klarinettisten Chen Halevi, der die Klezmertradition ebenso brillant beherrschte wie die hohen Ansprüche etwa in Beethovens „Gassenhauer-Trio“ op. 11, aber auch in befreundeten Künstlern wie Monika Leskovar (Cello), Graham Oppenheimer (Viola), Robin Tritschler (Tenor) und Ian Parker (Klavier).
Den vergessenen Werken der „Neuen Jüdischen Schule“ wurden in Homburg Kompositionen arrivierter jüdischer Komponisten gegenübergestellt, so von Mendelssohn-Bartholdy, Mahler, Schönberg, Strawinsky oder Milhaud, ergänzt mit kommentierender Musik unter jüdischem Einfluss unter anderem bei Mussorgsky, Ravel oder Schostakowitsch. So brillant diese arrivierte Musik auch aufgeführt wurde, sie sollte hier etwas zurückstehen und den Blick auf die Wiederentdeckungen freigeben.
Der blieb sicher an Grigori Krejn (1879–1957) haften, von dem aus den wenigen Veröffentlichungen in der Orangerie von Blieskastel das 1925 entstandene „Prélude für Klarinette, Klavier und Streichquartett“ mit Chen Halevi (Klarinette), Jascha Nemtsov (Klavier) und dem Vogler-Quartett erklang. Es war in seiner Klangraffinesse ein erstaunliches Zeugnis des russischen Impressionismus, der hier ganz anders klang wie bei Skrjabin. Man sollte die Einschätzung des Max-Reger-Schülers nicht von diesem einzigen Stück ableiten und die Schatztruhe seines Gesamt-Oeuvres endlich öffnen.
Zur gleichen Generation zählt auch Simeon Bellison (1883–1953), der nach der Oktoberrevolution allerdings den Absprung in die USA schaffte und dort bis 1948 als Soloklarinettist der New Yorker Philharmoniker und angesehener Lehrer (unter anderem von Benny Goodman) Karriere machen konnte. Mehrmals wie im Eröffnungskonzert, in einem Schülerkonzert und im Abschlusskonzert zitierten das Vogler-Quartett zusammen mit dem Pianisten Jascha Nemtsov und dem Klarinettisten Chen Halevi aus der 1925 im amerikanischen Exil entstandenen Kindersuite op. 57 von Joseph Achron (1886–1943), deren jiddisch klingende Besetzung von der sechs Jahre zuvor entstandenen „Ouvertüre über hebräische Themen“ von Sergej Prokofieff übernommen wurde.
Es ist ein buntes Kaleidoskop kindlicher Erlebnisse mit der „Langeweile“, mit der Spannung, was nach „Herausgestreckter Zunge“ wohl blüht, mit „Elefanten“ oder „Affen“, mit einem „Zug von Geschenken“ oder beim Lauschen auf den „Gesang eines kleinen Vogels“. Vor allem war es in der witzigen Gestaltung der Künstler ein einziges Hörvergnügen auch für Erwachsene.