Hauptbild
Fotoprobe „Werther“ 2023. © Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Fotoprobe „Werther“ 2023. © Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Hauptrubrik
Banner Full-Size

Wirrness in kleiner Welt – Massenets „Werther“ bei den Bregenzer Festspielen

Vorspann / Teaser

Der unglückliche Selbstmord eines Carl Wilhelm Jerusalem und Goethes aussichtslose Liebe zu Charlotte Buff im kleinen Wetzlar führten 1774 zu seinem Briefroman. Der wurde ein damaliger und dann anhaltend europäischer Bestseller, löste sofort eine Herrenmode- und dann leider auch eine tödliche Nachahmerwelle aus: Angesichts geltender moralischer und gesellschaftlicher Regeln ein populäres Thema im ganzen 19.Jahrhundert bis hin zu Massenets Musikdrama von 1892.

Publikationsdatum
Paragraphs
Text

Bei den Bregenzer Festspielen ist es inzwischen auch Tradition, jungen Sängernachwuchs von erfahrenen Mentoren zu einer Aufführungsserie im Kornmarkttheater zu führen. Zwar konnte die bislang hier tätige Brigitte Fassbaender aufgrund ihrer beiden großen Wagner-Premieren in Erl (vgl. nmz online vom 09.07. und 17.07.2023) nur kurz vorweg anleiten und Hilfestellung geben. Dafür bot die Entscheidung von Intendantin Sobotka, die „Werther“-Produktion einem dreiköpfigen weiblichen Team anzuvertrauen, die Chance zu anderen Aspekten und eventuell reizvollen Akzenten.

Die junge Regisseurin Jana Vetten wagt im Gespräch die steile These, dass bei größerer Toleranz heute eine „ménage à trois“ zwischen Charlotte, Ehemann Albert und Werther lebbar sei. Sie hat sich dann aber doch an das Massenetsche Musikdrama gehalten. Ausstatterin Camilla Hägebarth hat ihr dafür in einem gewellten Stoffhalbrund einen schrägen, vorne bühnenbodennah offen, hinten steil aufragend, rundum begehbaren Ring gebaut; insgesamt, dann mal kreisend und mit seinem kleinen offenen Innenraum signalisiert er die „kleine Welt“, das Um-sich-Kreisen von Personen und Gefühlen. In diesem zeitlos kahlen Raum mischt Vettens Regie und Hägebarths Kostümierung dann 18. mit 21. Jahrhundert: wenig überzeugend - von einer mehrmals herabfahrenden, mondähnlichen Kugel, grünen Ästen und schwarzwälderischen Blumenbällchen als Kopfschmuck, vom glänzend singenden, aber albern herumspielenden Kinderchor über die banal bleibenden Nebenfiguren bis hin zu leidenschaftlichem Küssen und heftigem Körperkontakt zwischen Charlotte und Werther.

Ab der zweiten Hälfte ist die Ringschräge als kahle Wand nach vorne gedreht; die Pistole hängt daran als Signal; Charlotte wühlt davor in Werthers Briefen; er selbst lässt von oben weitere Schreiben fallen; Ehemann Albert tritt dominant oben auf – all das wirkt konzentriert und überzeugt plötzlich… lässt den Musiktheaterfreund eine zeitlose und pausenlose Strichfassung ohne alle Nebenhandlungen imaginieren. Das auch, weil Dirigentin Claire Levacher wohl leider nach der Generalprobe von ihren Assistenten nicht auf die Spielwucht des Symphonieorchesters Vorarlberg hingewiesen wurde: auch in der zweiten Aufführung kaum lyrisches Feingefühl, vielmehr dominierte ein „issimo“ mit 3 fff, das die keineswegs vokal kleinen Solisten wiederholt zudeckte – auch den alle überragenden 2-Meter-Bariton Yuriy Hadzetskyy als Albert, obwohl der wie Donner in einem Staatsopern-„Rheingold“ tönte. Raúl Gutiérrez hatte im literarisch originalen blauen Anzug mit gelber Weste gute lyrische Momente und dann auch emotionale Ausbrüche – ein überzeugender Werther entstand noch nicht. Dafür verbreitete Sopranistin Sarah Shine als Sophie wirklichen Klang-Sonnenschein und war ein fröhlicher Kontrast zu der schlank-schönen, leidenschaftlichen, ja stürmisch-emotionalen Charlotte der Kanadierin Kady Evanyshyn – ihren hellen, bei Edith Wiens an New Yorks Juilliard ausgebildeten Mezzo hat sich schon die Staatsoper Hamburg gesichert.

Insgesamt: spezielle Akzente des Produktionsteams waren nicht zu erkennen; junge kommende Solisten hatten sich an herausfordernden Partien gemessen - zu Recht am Ende einhelliger Beifall.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!