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Ein Billd so wichtig wie nichtig. Foto: Hufner
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Witz, komm raus! – Stefan Kastner verhebt sich in seiner Parodie „Germania II – Paradiso“ gründlich

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„Das Theater ist ein Irrenhaus – und die Oper die Abteilung für Unheilbare“ lautet ein Bonmot. Es stammt aus dem 18.Jahrhundert – und Stefan Kastner scheint es jetzt entdeckt zu haben. Da kursierten im Um- und Vorfeld der Uraufführung im „Schwere-Reiter“-Saal die Namen Achternbusch und Kroetz, da wurde an Dietls „Kir Royal“ erinnert und auch an die berühmte „Walküren“-Episode im „Monaco Franze“.

Autor und Regisseur Kastner geht von dem Grundeinfall aus, dass der Intendant der Bayerischen Staatsoper auch gleich noch den Nachtclub „Paradiso“ managt, weil’s eh’ auf das Gleiche ’nausläuft … So vereint die Saal-Szenerie Intendanten-Schreibtisch, Besetzungscouch, Table-Dance-Stange, Bar-Tresen, Hinweisschilder auf „Kantine“ und „Bühne“, Gartencaféstühle, Fotos von GMD Wolfgang Sawallisch und dem jungen Max Streibl. Darin erklingt erst das „Rheingold“-Finale über den Mithör-Lautsprecher des Intendanten, mehrfach dann Bar-Disco und Schlager von Einst. Dazu lässt Kastner dann den jungen Hans Werner Henze mit Ingeborg Bachmann im Aufbruch nach Rom, die Wagner-Sopranistin „Gina della Casa“, Kiki von Hohenlohe, Charles Schumann, Ricky Shane sowie Maria Hellwig samt Tochter Margot auftreten mitsamt einem Kultusminister, Staatssekretär und ihren Mausi-Amouren oder sex-besessenen Ehefrauen.

All das mixt Kastner, ohne an Nestroys „Einen Jux will er sich machen“ oder dessen hinreißende Wagner-Parodie samt den vielen nachfolgenden heranzureichen. Textlich vergreift sich Kastner: bei Henze „Halt die Ohren steif!“, detailgenaues Herumsulen in „urinierenden Blechbläsern im Orchestergraben“ bis zur Intendanten-Mammi von Michaela May, die dem potenten Türsteher Jonny verfällt – und dann mit RTL-Jargon davon zu erzählen – sind das die Lacher, mit denen Kastner der Münchner „Hautevolee“ gleichsam die Maske vom Botox-Gesicht reißen will? Da fehlt ihm wohl eine starke Dramaturgie, die ihm sagt „Idee gut, aber Ausführung plakativ, banal und zu schlicht“. Den aus dem Einfall, dass Maria Hellwig ihre Tochter mit Puccinis „O mio Babbino caro“ an der Oper platzieren will, vom Intendanten Bubi Bachmaier zwar entschieden abgelehnt wird, aber – wie in einer Parallele ihrer damaligen Allgegenwart im Fernsehen – sofort in Zweit- und Dritt-Ausführung immer wieder auftritt – das wäre eine Alptraum-Szene, die Dominik Wilgenbus sicher fabulös spielen könnte, wenn Licht- und Personenregie stattfinden würden.

Den Beifall am Ende verdienen Isabel Kott für die neurotische Studie der jungen Ingeborg Bachmann im Kontrast zur Kaffeehausbedienung und Orchesterwartin, Inge Rassaerts für die Charakterstudien Hohenlohe und Hellwig, die bodenständig „echte“ Kantinenfrau von Susanne Schroeder – und vor allem Aline Lettows „della Casa“ und der Türsteher-Tenor von Markus Herzog: da singen die beiden doch ein ganz erstaunliches „Winterstürme“-Duo … und müssen dann eine unsägliche Beischlafszene auf Gartenstühlen spielen.

Da wünscht man sich Henzes Werk-Vision „Ein Jahr lang: Nichts!“ Doch mit all dem Name-Dropping von Wagner bis Henze hat Kastner schon wieder Fördergelder für „Germania III“ erhalten – ist etwa das Kulturreferat auch mit einem Opernhaus zu vergleichen?

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