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Dagmar Hellberg (Die Putzebumskaja), Laura Schneiderhan (Charlotte), Christian Schleinzer (Amelio von Tschüssikowski), Julia Sturzlbaum (Marika Waldhoff), Peter Neustifter (Der Matriarch).  © Anna Schnauss

Dagmar Hellberg (Die Putzebumskaja), Laura Schneiderhan (Charlotte), Christian Schleinzer (Amelio von Tschüssikowski), Julia Sturzlbaum (Marika Waldhoff), Peter Neustifter (Der Matriarch).  © Anna Schnauss

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Witziger Wer-ist-was-Wirbel – Uraufführung von „Oh! Oh! Amelio!“ im Münchner Gärtnerplatztheater

Vorspann / Teaser

Die Ausgangsfakten lasen sich gar nicht so amüsant: Eine freie Umdeutung von Georges Feydeaus „Occupe-toi d’Amélie“ – muss man diesen genialischen Theaterzauberer allen bürgerlichen Wahnwitzes „umdeuten“? Und dann auch noch in Richtung „schwules Männerpaar“? Über alle dauernd betonte „Freie Offenheit“ des Theaters samt Inszenierung kleiner Nebenrollen als „anders“: jetzt ein ostentativ neues Zugeständnis an das umgebende einschlägige „Glockenbachviertel“? Gähn!

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Nach den ersten fünf Minuten der Uraufführung gabs nichts mehr zu gähnen, wenige Minuten später setzte Lachen und theatralisches Staunen ein – und das durchgängige Amüsement mündete nach pausenlosen 100 Minuten in begeisterten Jubel, der die tief gelegene Studiobühne des bestens renovierten Hauses in den Theaterhimmel katapultierte. 

Das geht ganz „einfach“: natürlich eine fabulös witzige Vorlage, die Thomas Pigor mit all seinem Theatervollblut bearbeitet hat – prompt stimmte das flüssig bis rasante Timing, gab es pointierten Dialog und amüsant-freche Song-Texte, auch mal als Duett bis hin zu Ensembles; dass das alles wie ein Uhrwerk schnurrte, war der pfiffigen Musikmischung von Pigor und Konrad Koselleck zu danken, die der prickelnden Mischung aus Kammerorchester und U-Band unter Andreas Partilla zu danken – von Polka über Tango zu ariosem Aufschwung mit lang gehaltenen Spitzentönen – und durchweg pulsierendem Schmiss; die vor der „Privatinsolvenz“ zu rettende, eben ruinös Champagner-fixierte Marika und die zu umgarnende reiche Erbtante Putzebumskaja aus Marzowinien konnten bleiben; aus dem Marika umschwirrenden Freundespaar Amelio und Étienne aber ein schwules Paar zu machen, verlangte zurückhaltende „Normalität“ und dann eben feinen Witz – und beides gelang in Wort, Spiel und Gesang; aus dem orientalischen Prinzen bei Feydeau, der Marika einfach kaufen will, einen schleimigen TV-Produzenten zu machen, der alle Mädels über seine „Besetzungscouch“ engagiert, gelang überzeugend – und gipfelte in dem Schlussgag, dass in der aus einem ein wenig gelüfteten Vorhang als „Loge“ am Ende ein Scheich saß, der einfach „alles“ kauft. 

Auf der kleinen Bühne bildete ein albern-grelles „A“ mit Lämpchen-Geglitzer sowohl das schnuckelige Zuhause des Männerpaares wie den Hintergrund für Nachtclubausflüge oder den herrlich improvisierten Rahmen für eine groteske marzowinisch-orthodoxe Hochzeit – alles mit rasanten Kostümwechseln von Unterwäsche bis zu Priester-Ornat – lautes „Tutti bravi!“ an Ausstatter Karl Fehringer und Judith Leikauf mitsamt Choreograph Alex Frei, die den begrenzten Raum vergessen und turbulent bespielen-und-tanzen ließen.

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Peter Neustifter (Der Matriarch). © Anna Schnauss

Peter Neustifter (Der Matriarch). © Anna Schnauss

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Der „tutti!“-Jubel schließt alle neun Protagonisten ein, voran den auch mal steif eifersüchtigen Étienne von Armin Kahl, die kesse Marika der hohes-C-sicheren Julia Sturzlbaum, den blond-schönen Amelio von Christian Schleinzer zum testostron-wilden Produzenten von Alexander Franzen über die kleineren Rollen hin zu zwei Theatervollblütern: Thomas Pigor hatte sich selbst eine herrlich komische Rock-Rolle als Amelios Mutter „Täschner“ mit echtem fränkischem Akzent geschrieben, begrüßte mitsamt „Trigger-Warnungen“ vom „Witz bis zu Anzüglichkeiten“ das Publikum und lief dann zu großer Gaudi-Form auf mit dem Running-Gag, sich dem Produzenten durchweg als „beste Leiche für den nächsten Tatort“ anzupreisen – größtes Kompliment: sein Text ist nirgendwo gender-kämpferisch, sendungsbewusst triefend oder woke-anbiedernd, alle Eingangsbefürchtungen lösten sich in Amüsement auf. Und dann kam auch noch „Grande Dame“ Dagmar Hellberg als beklunkerte Erbtante Putzebummskaja auf die Bühne – da schwappte der Champagner schon mal aus dem Glas ins fulminant Grandios-Komische bis hin zu ihrem Liebes-Leitfaden, dass „Kopf, Herz und das da unten“ stimmen müssen. Der eröffnende Song „Es geht um Unterhaltung und sonst nix“, der Running-Gag „Einfach super“, Amelios Auftritt als Drag-Queen … ach und alles andere und an einem Verwirrungshöhepunkt der Ruf nach „Regie!“ – alles war erfüllt: Regie Gabi Rothmüller – bravissima! 

Das Gärtnerplatz hat jetzt erst mal einen Dauerbrenner – und dann einen Hit zu Sylvester und zum Fasching … und überhaupt …

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