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Zentrum der globalen Entwicklung

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Ostasien Modern – Forum neuer Musik Köln vom 17.–19. April
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Konzerte, Lectures, Diskussionen, unbekannte Namen, Kompositionsaufträge, flankierende Sendungen, Kooperationen mit Musikhochschulen, eine weltpolitische Thematik – das Kölner „Forum neuer Musik“ des Deutschlandfunk ist auch in seinem 16. Jahrgang als Marke wiedererkennbar. In diesem Jahr ist der kulturelle Horizont bereichert um Pipa und Sheng, Kalligraphie, Tai Chi, koreanische Tracht und shintoistische Trommelmusik. NMZ-Chefredakteur Andreas Kolb sprach mit Festivalleiter Frank Kämpfer.

nmz: Das Forum 2015 fragt nach einer ostasiatisch geprägten Moderne. Warum Ostasien?

Frank Kämpfer: Ostasien ist unübersehbar ein Zentrum der globalen Entwicklung geworden. Historisch betrachtet, nimmt es seine alte Rolle als Global Player gerade wieder neu ein. Europas Part relativiert sich dadurch, die ostasiatischen Gesellschaften aber erfahren einen gravierenden Umbau. Es sieht zunächst so aus, als ob der neue ‚asiatische Kapitalismus‘ das westliche Modell von Fortschritt und Wachstum kopiert, inklusive der Störung der Lebensumwelt. Die Frage ist, ob er andere Konzepte zu entwickeln vermag, angesichts begrenzter globaler Ressourcen. Unser Forum fragt, wie gegenwärtiges Komponieren den ostasiatischen Wandel abbildet, und wie sich es sich dabei selbst verändert.

nmz: Klassische Musik ist in Asien beliebt. Wie verhält es sich mit der Moderne? Folgt sie der hiesigen, was zeichnet sie aus?

Frank Kämpfer: Definieren wir Klassik und Moderne als europäisches Projekt? Dann sind Einflüsse des Westens die Voraussetzung, dass sich auch asiatische Gegenwartskünstler avanciert artikulieren. Das ist letztlich im Kolonialismus begründet. Alle zeitgenössischen KomponistInnen Ostasiens sind mit westlichen Schulen in Berührung gekommen, aber im Zuge der Anverwandlung transformieren sie deren Ideen bereits. Denn sie sind ja zugleich von starken Traditionen geprägt. Unsere These ist, die ostasiatische Moderne beginnt genau an diesem Punkt. Für Toshio Hosokawa oder Younghi Paagh-Paan war das schwieriger als jetzt für Diana Soh oder Yu Oda. Die heute junge Generation ist längst multizentrisch geprägt und tritt aus den Schatten des Kolonialismus heraus.

nmz: Im Westen Unbekannte treffen auf Etablierte. Fast alle Urheber kommen aus Asien, die Musiker weitgehend aus Deutschland! Welche Intentionen liegen dieser Programmierung zugrunde?

Frank Kämpfer: Es geht nicht um Exotismus. Sondern darum, dass Erfahrungen ihren Niederschlag finden, vorgefertigte Urteile sich relativieren. Ein Beispiel ist das E-MEX Ensemble aus Essen, das kurz vor dem Forum Ostchina bereist und sich in der Vorbereitung darauf die Komponierszenen Shanghai und Beijing erschloss. Isao Nakamura und David Smeyers verweisen auf die große Bremer Lehrerin Younghi Pagh-Paan. Wieder anders Ying Wang, die das Konzert des Ensemble Phoenix Basel kuratierte. Sie als Chinesin gibt uns einen Überblick über die junge ostasiatische Generation. Neben der westlichen Sicht birgt unser Programm also noch zwei weitere Perspektiven auf heutiges Komponieren: die der schon älteren, bi-kulturell geprägten Asiaten und die der globalisierten Jungen.  

nmz: Das Programm lässt viel Schlagwerk vermuten: Ein neuer Trend in Asien?

Frank Kämpfer: Wenn die Neue Musik westlicher Prägung KomponistInnen aus Ostasien jetzt ein ausdifferenziertes Schlaginstrumentarium anbietet, dann findet eine Art Rückübertragung statt. Denn Gongs, bestimmte Trommeln und Geräuscherzeuger stammen ja ursächlich hierher. Das Schlagwerk der Neuen Musik ist gewissermaßen ein Dokument des Kolonialismus. Angesichts seiner historisch gewachsenen Vielfalt steht es in der multizentrischen Welt aber auch für die Möglichkeit einer tatsächlich globalisierten Musik. In den Konzerten etwa mit Isao Nakamura oder dem Ensemble Phoenix Basel werden wir das in sehr bemerkenswerter Weise erleben.

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