Mozarts „Zauberflöte“, wie Regisseur Dirk Schmeding sie jetzt im Landestheater Detmold zeigt, hält viele hübsch gemachte Bilder fürs Auge bereit und punktet mit liebevoll gespielten und gesungenen Szenen für die Ohren. Keineswegs klischeehaft – dies gar nicht. Aber schön!

Zerfasert runde Sache – Mozarts „Zauberflöte“ am Landestheater Detmold. Foto: Jochen Quast
Zerfasert runde Sache – Mozarts „Zauberflöte“ am Landestheater Detmold
Nun gut, Papageno bekommt zeitweise auch mal ein Federkleid verpasst. Gleichwohl wird hier kein fantastisches Märchen mit Happy End erzählt, vielmehr geht es um Individuen, die erst im Laufe dessen, was geschieht, aus ihrer „gewohnten“, vielleicht auch eingeübten Rolle heraus- oder über sich hinauswachsen, Neuland erkunden. Dafür steht die Metapher der Tür, die wie ein roter Faden und in verschiedener Ausfertigung die Inszenierung durchzieht: hinter jeder Tür kann etwas Unbekanntes lauern. Und für jede und jeden etwas anderes.
Stephen Chambers betritt als Tamino die Bühne und schiebt erst einmal den Eisernen Vorhang hoch – ein naiver Jüngling in Boxershorts, aber mit feinen Manieren, der sich von seinem Dasein als (womöglich gelangweilter) Prinz verabschieden will. Karola Sophia Schmid kommt als rothaarige Pamina daher, mit von Blümchen gezierter Strickweste und nach dem Motto: „Hoppla, jetzt komm ich!“. Auch sie auf der Suche nach Abenteuer(n)? Davon kann bei Jonah Spungin als Papageno nicht die Rede sein. Er ist ein wuseliger Vogelfreund, dem es nichts ausmacht, dass ihm seine im Käfig gefangenen gefiederten FreundInnen ihren Mist von oben direkt auf seine Jacke abladen. Für ihn ist die reale Welt die beste, im Hier und Jetzt kennt er sich aus. Papageno hält es mit Konrad Adenauer: „Keine Experimente‟. Ein markantes, diverses Trio also, das durch die anstehenden Prüfungen geht mit dem Ziel, Eingang zu finden in die „heiligen Hallen“, über die Jaime Mondaca Galaz als Sarastro herrscht. Der ist Chef einer Gruppe von Wissenschaftlern, die um ihre Beobachtungen des Himmels herum einen Kult aufgebaut haben. Dieser Kult entrückt sie der Realität und entbindet sie davon, Fragen zu ihrem Tun beantworten zu müssen. Diese Hemisphäre des Sarastro stellen unsere drei Abenteurer infrage. Deshalb werden sie Prüfungen unterworfen, an denen sie scheitern sollen. Und Sarastro fährt dazu ganz großes Besteck auf: Grabplatten werden auf die Bühne geschoben. Massiver kann eine Drohung kaum sein. Doch weil sie so unbedarft und recht naiv sind, lassen sich Pamina und Tamino nicht schrecken. Der ewige Kampf zwischen Natur und der von Menschen geformten Kultur entbrennt aufs Neue. Dieses Mal mit dem schlechten Ende für Pamina und Tamino. Dazu später.
Und da ist natürlich auch Julia Gromball, die Königin der Nacht, die Dirk Schmeding als gealterte und sich auf einen Stock stützende Dame der Hautevolee zeichnet. Und die drei Knaben (Meta Hildebrandt, Viktoriia Shipunova und Ge Fang), hier interpretiert als innere Stimmen jener Menschen, denen sie gerade aktuell zur Hilfe eilen. Eine keinesfalls abwegige Idee. Doch insgesamt wirkt Schmedings Lesart ein klein wenig zerfasert und zerfällt mitunter in Kleinteiligkeit. Und findet ein überraschendes Finale: Tamino und Pamina, erfolgreich beim Absolvieren ihrer Prüfungen, werden als lebende Büsten auf die Bühne geschoben, gefangen in einem klotzigen steinernen Sockel. Kein Entkommen aus Sarastros Welt? Gescheitert die Vision von einem besseren Leben? So scheint es jedenfalls.
Musikalisch bietet die Detmolder Inszenierung ein durchweg hohes Niveau: sängerisch nicht weniger als instrumental. Claudio Novati, 1. Kapellmeister des Hauses in Ostwestfalen, dirigiert das ausgezeichnet aufgelegte Symphonische Orchester des Landestheaters und den von Francesco Damiani einstudierten Chor. Novatis Tempi stimmen, die Dynamik gestaltet er absolut sängerfreundlich, nirgends aufgedreht oder überspannt. Eine ausgesprochen runde Sache also – mit kleinen Fragezeichen im Hinblick auf die nicht in jedem Moment schlüssig wirkende Regie.
- Premiere am Freitag, dem 29. November 2024 (auch besuchte Aufführung)
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