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Zurück in die Innerlichkeit der kleinen Form

Untertitel
Zum „Richard Strauss Festival“ in Garmisch Partenkirchen vom 12. bis 18. Juni 2010
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„Circe, Circe, kannst du mich hören“, klingt es aus der Ferne des Mythos durch die Musik Richard Strauss´ Oper „Ariadne auf Naxos“ zu uns Zeitgenossen. „Märchen und Mythen“ sind das Thema der Richard Strauss Festspiele in Garmisch Partenkirchen im Juni 2010. Brigitte Fassbaender, Intendantin der Festspiele, verknüpfte in den Kammermusik- und Orchesterkonzerten wie der Märchenlesung und dem Gespräch über die Bedeutung des Mythos im Werk von Richard Strauss eine Vielzahl unterschiedlicher musikalischer Märchenbilder miteinander. Sehnen wir uns nicht alle nach dem verwandelnden Klang der Zauberflöte, eines Zaubers, der auch uns Zeitgenossen die Feuer- und Wasserprobe unbeschwert überstehen lässt?

Da wird Dornröschen wachgeküsst zu einem märchenhaft glücklichen Leben, selbst königliche Märchenhochzeiten werden heute bejubelt. Und der Meister rettet den Zauberlehrling vor dem Versinken im Wasser. Wie oft wünschte man den Zauberer herbei! Die musikalische Realisation der Verzauberungen  hatten das „moderntimes-1800“-Kammerorchester, das Junge Festivalorchester und das Odeon-Jugendsinfonieorchester München, das Münchner Rundfunkorchester zusammen mit namhaften Solisten übernommen. Das Aalto-Musiktheater, die Essener Philharmoniker und der Opernchor des Aalto Theaters unter der Leitung von Stefan Soltesz  ließen die konzertante Aufführung der „Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss dem Publikum zum Erlebnis werden.

Einen wesentlichen Schwerpunkt bildete in diesem den Mythen und Märchen  gewidmeten Programm auch das Kunstlied. Kammersängerin Deborah Polaski gab in ihrem Meisterkurs den Studenten technische Hilfen zur Bewältigung schwieriger melodischer und rhythmischer Passagen, damit der Inhalt des Liedes auch beim Publikum ankomme. Unterstützt wurden die Sängerinnen und der Sänger durch Richard Whilds am Klavier. Das Abschlusskonzert, das Lieder und Opernarien ent-hielt, zeigte den hohen professionellen Standard der Meisterschüler.

Dem Kunstlied wurde durch zwei Liederabende Reverenz erwiesen. Das Kunstlied der Romantik, das Lied spätromantischer Zeit – ist es nicht schon fast selbst ein Mythos introvertierten, subtilen Ausdrucks, eher geeignet zum Musizieren im kleinen Kreis, so wie damals in der „Schubertiade“? Entstand das Kunstlied nicht aus dem enttäuschten Rückzug der sich für die demokratischen Strukturen begeisternden deutschen Intellektuellen nach dem Wiener Kongress? Visionen der Freiheit zerschlagen durch die Karlsbader Beschlüsse? Zurück in die inneren Visionen, in die Innerlichkeit der kleinen Form, des Liedes. Das Revolutionäre der Romantik, die Entdeckung des Unbewussten, das Motiv des Doppelgängers, das Besingen der Sehnsucht, des Schmerzes, des Unglücks, ja auch des Glücks findet im Rückzug, im Lied statt, im Text und in der Musik. In dem zweiten Liederabend, den Pavol Breslik krankheitsbedingt abgesagt hatte, gelang dem jungen Tenor, den Brigitte Fassbaender  aus Innsbruck im sozusagen fast letzten Moment herbeigeholt hatte, etwas von jener Verzauberung des Liedes, des Ausdrucks intensiven Empfindens, das weit weg von jeder Sentimentalität, Emotion ehrlich ausdrückt und Andere berührt. Brenden Gunnell, Tenor, wurde am Klavier begleitet von Leif Klinkhardt, beide rissen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Die „Taubenpost“ von Schubert und auch die „Sehnsucht“  sind Ausdruck zarten Gefühls, „Kriegers Ahnung“ mit dem Text von Ludwig Rellstab ist die Wehmut des jungen Mannes, der vor der Schlacht mit Zärtlichkeit seiner Geliebten gedenkt, dem beglückenden Erlebnis, sie in seinem Arm zu fühlen, der dann weiß, wie viele Schlachten noch zu schlagen sind und der ebenso die Angst ausdrückt, nicht zu seiner Geliebten zurückzukehren. Wehmut, Zartheit und Angst, Gefühle, die „unmännlich“ scheinen, „unheldenhaft“. Hier im Lied darf Zärtlichkeit und Angst ausgedrückt werden. Im wahren Leben? Kann das Lied jene Echtheit des Ausdrucks wiederherstellen im zeitgenössischen Erleben, auch von jungen Menschen, auch dort, wo es  durch die Forderung nach „Coolness“ abgelehnt wird? Das Entsetzen des Entdeckens des eigenen Schmerzes in der Figur des Doppelgängers, ist nicht die Ehrlichkeit dieses musikalischen Ausdrucks ein Weg zur Schmerzbewältigung? Was kann das Kunstlied heute und jetzt, in einer anderen Zeit, in einer Zeit des Hip-Hop und des Rap, der ebenso Ausdruck zeitgenössischer Befindlichkeit ist wie damals das Kunstlied, für die jungen Hörer leisten? Ist die Echtheit jenes Bekennens zur Zartheit, zur Angst, zur Wehmut nicht eher befremdlich? Ist jene Zärtlichkeit empfindbar? Gibt es sie noch?

Brenden Gunnell gelang es, in seiner Interpretation all diese Empfindungen hörbar werden zu lassen, seine Diktion war ausgezeichnet, auch so, dass deutlich wurde, wie sehr er selbst verstand, was hinter dem Text als tiefere Aussage verborgen ist. Es betrifft, wird verstanden, es sollte noch mehr Menschen erreichen, gerade heute.

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