Bei der Oper hört nicht selten der Spaß auf. Es scheint, als würden die großen Opernhäuser ihren 400-jährigen Ballast in jeder Neuinszenierung abladen. Das Spiel, die gewitzte Aktion geht Baden und wird der voluminösen Ausbreitung der Stimmen und Stars geopfert. Die Verzahnung von Szene und Musik bleibt auf der Strecke. Langeweile gehört zum Gepäck (zugegeben: Das ist etwas pauschal, aber wie häufig erlebt man Musiktheaterregie, die nicht mit der Musik arbeitet, sondern sich allein deutend, psychologisierend oder einfach im Konventionellen verharrend danebenstellt).
Das muss nicht so sein, meint seit einigen Jahren die Kammeroper München. Ihr Konzept ist ebenso einfach wie schlagend. Man fährt die Oper zurück auf ihre Ausgangsbedingungen und entwickelt von hier aus neue, griffige, punktgenaue und vor allem stets vergnügliche Konstellationen. Reduzierung auf die wesentlichen Punkte ist das Prinzip (man hat im Münchner Kulturzentrum Pasinger Fabik begonnen; die Bezeichnung als „Münchens kleinstes Opernhaus“ wird mit Stolz vorgewiesen). Das fängt beim Orchester an, das solistisch besetzt ist und in der Regel mit einem Streichquintett und circa vier Bläsern (plus eventuell ein Cembalo) auskommt. Die Sänger sind jung, unverbraucht, kommen von der Hochschule, dem Konservatorium oder der Bayerischen Theaterakademie. Das macht Liebes- und Eifersuchtsszenen auf ganz natürliche Weise verständlich. Wenn man sieht, mit welch jungen Sängerinnen und Sängern Mozart zusammenarbeitete, dann versteht man (ein 50-jähriger Tamino, eine nur wenig jüngere Papagena, da kann sich die Regie noch so biegen, es bleibt ein Rest von Lächerlichkeit).
Und jetzt kann man wirklich zu spielen beginnen. Die Statik, die oft auf großen Bühnen herrscht, ist im Grunde eine Beleidigung der Musik. Denn jeder Komponist, am intensivsten wohl Mozart, hat jede Geste, jede Bewegung, jede Stimmungsverschiebung musikalisch mitgedacht.
Das genaue Timing, auch wenn es den Begriff damals nicht gab, spielt eine fundamentale Rolle. Die Oper als flexibles Gerüst zwischen Geste, Wort und Musik rückt in alte Rechte. Freilich muss hier auch die eigene Kreativität einsetzen und Dominik Wilgenbus, der in vielen Produktionen der Kammeroper München für Textfassung (intelligent und treffsicher) und Regie verantwortlich zeichnete, versteht es immer wieder, ein Feuerwerk an Ideen, die eng mit den Aktionen der Musiker korrelieren, zu zünden. Auf einmal erscheint Oper entkrampft, schnell und quicklebendig und wird in ihren Basisbedingungen neu verstanden. Inzwischen hat sich eine große Fangemeinde entwickelt, bei der ein anderes, wohl genaueres Opernbewusstsein existiert, als dies in den Stätten der gehobenen Begegnung der Fall ist. Das tut gut, denn die Oper stellt sich offensiv der Frage nach ihrer Berechtigung und gibt triftige Antworten. Denn das „unmögliche Kunstwerk“ muss immer wieder durch aktive Tat auf allen, eng aufeinander abgestimmten Ebenen seine Möglichkeit neu erringen. Nicht über Gags, die sich blöde über die Sache erheben, sondern über eine neue Form von liebender und achtender Hinwendung.
Die in der Regel begeisterten Kritiken liefern den Beweis. Man erlebt nicht Oper auf einem ironischen Abstellgleis, sondern wird unversehens ins Zentrum des Geschehens gerückt: genussvoll, heiter, tief. Und die Qualität von musikalischer Darbietung, Regie und vor allem gesanglicher Präsenz unterstreichen dies. Gewiss: Eine zu ihren Wurzeln zurückkehrende Oper ist kein Modell ihrer Rettung. Aber es ist das heute notwenige Regulativ vor ihrer Erstarrung. Werke von Haydn, Mozart, Rossini, Donizetti, Strauß, Smetana und anderen wurden bisher aufgeführt. Jetzt gibt es im August (21., 22., 23., 27.) im Schloss Nymphenburg Domenico Cimarosas „Die heimliche Ehe“. Wieder zeichnet Dominik Wilgenbus für Text und Regie verantwortlich, Martin Hannus ist der musikalische Leiter, das musikalische Arrangement liegt in den bewährten Händen von Alexander Krampe. Mit Vergnügens- und Erhellungsgarantie.