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Händel zum Mitmachen beim „Halleluja“ in Dublin. Foto: Hans-Dieter Grünefeld
Händel zum Mitmachen beim „Halleluja“ in Dublin. Foto: Hans-Dieter Grünefeld
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Zustand der Verzückung: der traditionelle „Messiah on the Street“ in Dublin

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Auf einem Platz nahe der Upper Abbey Street im Distrikt Old City Temple Bar versammelten sich am Ostermontag 2009 etwa 200 Personen, um bei „Let‘s Walk & Talk“ vom Stadtführer Pat Liddy, ausgestattet mit Mikrofon und mobilem Lautsprecher, Informationen über den Aufenthalt von Georg Friedrich Händel in Dublin zu hören. Allzu viel ist darüber nicht bekannt, sodass Pat Liddy mehr Anekdoten als Fakten zu erzählen hatte. Außerdem waren Zeit und Weg kurz bemessen, denn alle wollten rechtzeitig beim „Messiah on the Street“ sein.

Langsam füllte sich nach dem touristischen Spaziergang der von der Polizei abgeriegelte Winkel in der Fishamble Street mit knapp tausend Menschen. Dort, wo am 13. April 1742  die Premiere dieses berühmtesten Oratoriums  von Georg Friedrich Händel stattgefunden und einen spektakulären Erfolg gehabt hatte. Nach wie vor ist der „Messias“ in Dublin populär, ja hat sogar nationalkulturelle Bedeutung. Denn die Veranstaltung wurde von Eibhlin Byrne, Lord Mayor of Dublin (Oberbürgermeisterin, in der politischen Hierarchie nur dem Staatspräsidenten von Irland unterstellt) eröffnet.

Die solistisch besetzte National Sinfonia auf einer LKW-Bühne und davor Our Lady´s Choral Society (trotz des Namens ein gemischter Chor) dirigierte Proinnsias Ó Duinn, der auch mit irischem Humor die beliebtesten Partien des Oratoriums moderierte. Obwohl das Kopfsteinpflaster hart und das Wetter unbeständig waren, harrte das Publikum unverdrossen eine Stunde lang aus und applaudierte begeistert nach jedem Satz. Die Stimmung steigerte sich noch, als alle zum majestätischen „Halleluja“  die Hände hoch- streckten.

„Georg Friedrich Händel ist für uns eine Identifikationsfigur geworden“, meint Lorraine Maye, Direktorin des  „Dublin Handel Festival“.  Dessen Beginn war der erste  „Messiah on the Street“  1992 zum 250. Jahrestag der Uraufführung, danach wurde das Festival auf drei Tage und zum 250. Todestag des Komponisten auf eine Woche ausgedehnt, und der „Messias“ war noch zwei Mal zu hören: beim Handel 250. Commemoration Concert in der National Concert Hall das „Halleluja“ in gleicher Besetzung wie „on the Street“ und danach komplett in der Christ Church Cathedral mit dem Christ Church Cathedral Choir und dem Orchestra of St. Cecilia unter der Leitung von Judy Martin. Die Sympathien für Händels Meisterwerk waren und sind unerschöpflich. Insbesondere in Dublin, wo die Premiere 1742 frenetisch gefeiert worden war: „Die überirdisch großartige und zarte Musik, vereint mit majestätischen und rührenden Worten, versetzte Herz und Ohr in einen Zustand der Verzückung und Bezauberung. Auch gereicht es Mr. Handel zur Ehre, (...), dass er in seiner Freigebigkeit den Ertrag von seiner großartigen Aufführung zu gleichen Teilen der Gesellschaft für die Hilfe an Gefangene, dem Armenhospital und dem Mercer-Hospital zur Verfügung gestellt hat, wofür sie ihm auf ewig dankbar sein werden“, ist in zeitgenössischen Berichten zu lesen. Seine Wohltätigkeit ist nicht vergessen.

Auch bei der Organisation des Festivals nicht, weshalb einige Veranstaltungen kostenlos waren. So konnten Kinder interaktiv lernen, Händel-Puppen zu machen, um damit kleine Szenen zu spielen oder an einem „Papier-mâché-Workshop“ teilnehmen. Wie Kinder des 18. Jahrhunderts in Tanz und Musik unterrichtet wurden, konnte man mit der Familie beim „Baroque Idol“ beobachten und selbst ausprobieren.  The Classic Buskers boten erste Lektionen für Holzblasinstrumente und Ocarina sowie den Programmspaß  „Handel with Care“ an. Außerdem waren Modenschauen zu „Fashion and Shopping in Handel´s Dublin“ und  „Handel´s Wardrobe“ zu besichtigen. „Gerade durch solche Veranstaltungen wollen wir die junge Generation und auch ein sozial breiter gefächertes Publikum für klassische Musik und natürlich für Händel interessieren“, erläutert Lorraine Maye die Konzeption des Festivals.

Was offenbar gelungen ist. Sowohl das (zumeist eintrittsfreie) kulturelle Rahmenprogramm als auch die regulären Konzerte mit den Oratorien „Solomon“ und „Acis und Galatea“ als auch das Recital „The Golden Age of the Trio Sonata“ waren gut besucht. Im Übrigen war das Festival so konzipiert, dass man von „Handel´s Crossing“ als Theaterinszenierung bis zu einzelnen Stationen seines Aufenthalts im Zeitkolorit nachvollziehen konnte. Professor Barra Boydell versorgte während einer weiteren Tour die Interessierten mit allen notwendigen und nicht allzu bekannten Informationen über „Handel in Dublin 1742“: Vom englischen Vizekönig William Cavendish war der Komponist eingeladen worden, seine Werke zu präsentieren, etwa seine sensationellen Orgelkonzerte. Auch seine Begegnung mit dem damals schon greisen Satiriker Jonathan Swift, Autor von „Gulliver´s Travels“, einem Lieblingsbuch von Händel, sowie seine souveränen Begegnungen mit der aristokratischen Elite bestätigen, dass Händel, der nur zehn Monate seines Lebens in Dublin war, nachhaltig Einfluss auf die Musikkultur in Irland hatte. 

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