Die Flugparade des Torwarts, die „Schwalbe“, das rasante Dribbling, die „Tor“-Tänzchen, das Tackling oder „zu hohes Bein“ – die Ähnlichkeiten zwischen Fußball und Tanz sind erkennbar und durch Chorgesänge samt rhythmischen Auftritten der Fangruppen in Richtung „Große Oper von und für 70.000“ gesteigert. All das schreit förmlich nach der künstlerischen Analyse auf der Bühne.
Der Norweger Jø Stromgren hat diese Analyse schon vor 18 Jahren mit seiner Kompanie begonnen, aufgrund des Erfolgs über die Jahre erweitert und nun mit zehn Tänzern des Staatstheaters am Gärtnerplatz überarbeitet und einstudiert: „A Dance Tribute to the Art of Football“. Auf dem dunklen Boden werden die Schlieren von Fußballfeldmarkierungen erkennbar, Grasbüschel am Rand signalisieren: wir sind irgendwo auf einem Amateurliga-Acker – und Stromgren beginnt mit einem bitteren Schock: da kommt ein Ex-Spieler und immer noch Fan im Rollstuhl herein – das kaum gezeigte Karriereende als Invalide. Dem steht dann „Ball-Zauber“ in Form von Theaterzauber gegenüber: da kicken zwei in einer Lichtschneise und der Ball wird im Dunkel dahinter perfekt an einer Stange bewegt, so dass die tollsten Zuspiele gelingen.
Dazu dröhnt mal stark rhythmisch komponierter Tanz-Rock von Jørgen Knudsen, der selbst als Torwart spielte, mal Schräges der Band „Flugschädel“. Ein eher hilflos durch Raum und Spielfeld rasender Schiedsrichter versucht, die teils akrobatischen, teils artistisch schrägen, teils künstlerisch überhöhten Figurationen von vier männlichen und vier weiblichen „Spielern“ in imitierten Trikots zu ordnen. Traumhafte Pässe werden passend von „Come un bel di die Maggio“ aus Giordanos „Andrea Chénier“ begleitet. Zu kurzen Soli oder einem Fehlpass von Spielerinnen singt „La Wally“ ihr „Ebben? No andrò lontano“ und zum wie tot daliegenden Foul-Opfer passt auch „Una furtiva lagrima“ – da berühren sich Spiel- und Operndramatik, als vier Mann mit Gesichtsmasken auch den Aspekt „Hooligans“ anklingen lassen, greift Stromgren ins „volle Menschenleben“. Wenn dann noch wiederholt eine Spielergruppe wie zum „Still“ eines gelungenen Sport-Fotos erstarrt, wird augenscheinlich klar, wie nahe dies an einem Ballett-Foto dran ist – mehr noch: als die zehn Tänzerkörper sehr dezent nackt im abgedunkelten Licht gleichsam unter der Dusche stehen, weckt dies Assoziationen zu antiken Statuen und Kunst-Fotos. Ein gelungener tanztheatralischer Spaß mit Tiefgang.
All dies überhöht der Stuttgarter Choreograph Marco Goecke noch in seinem Solo „Cry Boy“. Tänzer Javier Ubell führt da in schwarzer Hose und nacktem Oberkörper sozusagen die gestylte „Super-Star“-Klasse vor. In speziell geformtem Modern Dance präsentiert er den hypertrainierten „Waschbrettbauch“ der Werbefotos eines Ronaldo, die Siegestor-Gestik anderer Ball-Stars und ihre tänzerische Körperbeherrschung. All das umrauscht symphonisch aufgedonnerter Sound von „The Cure“. Auch hier werden die Parallelen von Spielfeld und Bühne deutlich.
Nach der Pause folgt mit „Versus Standard“ eine Choreographie von Jacopo Godani. Die löst zwar mit hochklassigem Modern Dance zu Recht Jubel bei Ballettomanen aus, doch der Bezug zu „Hattrick“ fehlt. 1858 soll einem mit drei Würfen erfolgreichen Kricket-Spieler ein weißer Hut für seinen „Hat-Trick“ überreicht worden sein. Der geht im Fall Gärtnerplatz nur an die ersten beiden Stücke, die Tanz-, Sport- und Musikdramatik reizvoll vereint haben.