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Zwischen Alpha und Omega

Untertitel
Erstaufführung von Messiaens „Saint Francois D´Assise“ in Leipzig
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Der Engel erscheint wie ein einfacher Wanderer im Kloster des Franziskus. Klein und zierlich von Gestalt in schlichtes schwarz und weiß gekleidet, nur das Weiß des Hemdes schimmert in gleißenderen Licht als sonst – ein Zeichen, mehr nicht. Und als die Gestalt im Nebel verschwindet, bleibt nicht nur den Klosterbrüdern die Ahnung, dies könnte ein Engel gewesen sein. Doch Regisseur Gottfried Pilz beantwortet die Frage nicht eindeutig, so wie er diesen „Saint Francois D´Assise“ ganz frei hält von Heiligenschein oder Wundersamen. Karg, streng, aber sehr berührend ist seine Inszenierung, mit der Olivier Messiaens Opéra in drei Akten und acht Bildern in Leipzig ihre deutsche Erstaufführung erlebte und ihre Bühnentauglichkeit bewies.

Spektakulär der Beginn: Über den Vorhang flimmern die Vidoeaufnahmen vom Erdbebeneinsturz der Kirche des Heiligen Franziskus in Assisi 1997; in den Trümmern einer, dieser Kirche, werden die kommenden fünf Stunden spielen. Während das leitmotivische „Ich fürchte mich auf meinem Weg“ erklingt, ist dessen Sänger kaum auszumachen: Zögernd, tastend löst Saint Francois (der grandiose Frode Olsen) sich aus dem Dunkel, beginnt gemeinsam mir Frère Léon (Tom Erik Lie) die Ordnung in der Kirche wiederherzustellen. Doch nicht ihr Tun steht im Vordergrund, sondern ihr Gespräch. Pilz versucht gar nicht erst, eine Handlung zu bebildern, die es im klassischen Sinn nicht gibt. Sondern er dient der Musik mit meist stillen, suggestiven Bildern, die in ihrer Kraft und Kargheit oft an George Taboris Leipziger „Moses und Aaron“ denken lassen. Als der Engel (Ofelia Sala) Franziskus die Angst vor dem Aussätzigen (Louis Gentile) genommen hat, verschwindet der Gazevorhang als auch sichtbare Grenze zwischen beiden. Pilz setzt Lichtzeichen: Grün und blau wie die Natur schimmert die Bühne, sonst oft im Halbdunkel, als Franziskus durch die Vögel die Macht der Musik kennenlernt; die Vögel sind bei Pilz kleine Musiker (Kinder der Ballettschule der Oper Leipzig), im Frack und mit kunterbunten Baseballkappen, die sich am Ende der Szene zum Kreuz formieren. So nimmt die Regie Messiaens Leitmotiv der Musik als Gottessprache auf, ohne es plakativ auszustellen. Und so löst Pilz auch die heikle, siebte, Szene der Stigmatisierung des Franziskus und des Gottes-Ichs: Der Chor als dunkle, aber nicht anonyme Masse, von Joachim Siska perfekt in Bewegung gesetzt, ist dieses Alpha und Omega, in dessen Mitte Franziskus sich bewegt, die Prüfung erst scheut, sich ihr dann ergibt. Am Ende war der Jubel des Publikums einhellig, zu recht besonders herausgehoben das Gewandhausorchester unter Jiri Kout, das diesen Messiaen sinnlich strahlen ließ, und Frode Olsen als Saint Francois – kein Held, sondern ein zunächst furchtsamer, dann von der Botschaft durchdrungener Mensch (auch) unserer Zeit.

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