Michael Baur/Steven Baur (Hrsg.): Die Beatles und die Philosophie. Klüger werden mit der besten Band aller Zeiten, Tropen-Verlag Label von Klett-Cotta, Stuttgart 2010, 319 S., € 19,90, ISBN 978-3-608-50402-6
Wenn man die Beatles liebt, ist dieses Buch ein Muss. Wenn man sie nicht liebt – ebenso. Denn dieses Buch ist überwiegend amüsant geschrieben und ohne Längen. Es lebt von der Sympathie der Autoren zur Musik der Beatles ebenso wie von ihrer Sachkenntnis auf dem vielgestaltigen Gebiete der Philosophie. Klar, es ersetzt weder das Philosophiestudium noch ein paar Semester Musikwissenschaft, aber im Plauderton erzählt es dem Leser, was es denn mit dem „Fool on the Hill“ auf sich hat oder warum „Penny Lane“ eine so frappant nostalgische Wirkung hat.
Dabei lässt sich jeder Essay dieses gelungenen Buches auch allein lesen, denn obwohl eine grobe Einteilung in vier Themengebiete vorgenommen wurde, findet der Leser hier lauter in sich geschlossene Texte vor. Und die allermeisten sind mit einer dezenten Prise Humor gewürzt. Da sie alle von methodisch unterschiedlichen Ansätzen ausgehen, wird der Leser ab und an sogar durch neue Sichtweisen auf die seit über vier Jahrzehnten weltbekannten Texte überrascht.
Aber auch bekannte Interpretationsmuster erhalten durch die flotte, aber eindeutig stilistisch amerikanisch geformte „Schreibe“ mancher Autoren ein neues Gewand: Autor James Crooks („Take a Sad Song and Make it Better“: Die Beatles und die Postmoderne, S. 189 ff.) gefällt mit subjektiv eingefärbten Erinnerungen und ein paar flapsigen Fazits: „Ungezügelte intellektuelle Brillanz kann unglücklich machen.“
Die „Ethik der Bewusstseinserweiterung“ (Jere O’Neill Surber, S. 157 ff.) ist ein häufig wiederkehrender, schmunzelnd abgehandelter Aspekt des Buches. Denn mit unserer historischen Distanz zur aktiven Zeit der Beatles und mittlerweile ins Liberalere verschobenen Moralmaßstäben hat vieles doch an Brisanz verloren. Überhaupt finden sich zwischen den Zeilen einige Information zu damaligen Gesellschaftsthemen, zu kulturellen Debatten und dem Lebensgefühl einer nun vergangenen Epoche. Aber weil die Beatles heute immer noch als heller Fixstern am eher trüben Pophimmel des dritten Jahrtausends strahlen, ist dieses Buch ein zeitloses Vergnügen.
Philosophen von Descartes bis Marx werden von den Autoren gesucht und gefunden, Hegel, Nietzsche und andere hochberühmte Denker bis hin zu asiatischen Denksystemen sind in diesem Buch mit dabei. So viele Philosophen und deren Schulen scheinen sich also im Werk der Beatles wiederzufinden. Ob das den vier jungen Musikern aus Liverpool damals schon bewusst war? Fast nebenbei wird das philosophische Wissen des Lesers aufgefrischt, manchmal mit spritzigen unkonventionellen Exkursen.
Immer wieder stehen Liebe und Fürsorge, überhaupt positiv und nicht unbedingt maskulin oder rockig belegte Emotionen zur Debatte. Das ist eine Seite der Beatles, die hier ausführlich gewürdigt wird. Peggy J. Bowers hat sich im Essay „‚She’s a Woman’: Die Beatles und die feministische Ethik der Fürsorge“ (S. 57 ff.) intensiv damit beschäftigt.
Alexander R. Eodice untersucht den unkonventionellen Sprachwitz Lennons: „And of Course Henry the Horse Dances the Waltz“ (S. 249 ff.). Dass Lennon selbst über Versuche, die Beat-les-Texte zu interpretieren, schmunzelte, stellt der Autor gleich zu Beginn klar. Und dadurch relativiert sich bei allem professionellen Ansatz auch gleich die Ernsthaftigkeit dieser Essaysammlung.
Der wissenschaftliche Wert ist durchaus vorhanden, doch bleiben die Analysen und Exkurse immer im unterhaltsamen Bereich. Und das ist gut so, denn die Beatles waren Musiker und keine Philosophen. Oder etwa andersrum.