nmz 2000/10 | Seite 22
49. Jahrgang | Oktober
Rezensionen
Cello melodisch
Gabriel Fauré: Melodies transcrites pour Violon ou Violoncelle et Piano en 2 volumes, J. Hamelle & Cie Éditeurs, Paris 1999.
Gabriel Fauré gehört zu den wichtigs-ten Komponisten Frankreichs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er war Schüler Saint-Saëns‘, übernahm 1896 eine Kompositionsklasse am Conservatoire de Paris und war 1905 bis 1920 Direktor dieses Institutes. Die Vorliebe Faurés für das Violoncello lässt sich an vielen Orchesterwerken und seiner Kammermusik ablesen. Für den 25-jährigen Casals, den er bei einem Konzert in Paris kennen gelernt hatte, schrieb er die Sérénade op. 98, die jener in einem Brief als „etwas Köstliches“ bezeichnete, „jedes Mal, wenn ich sie spiele erscheint sie mir neu, so entzückend ist sie.“
Die beiden Bände „Melodies“ versammeln insgesamt sieben Bearbeitungen Fauré’scher Lieder, darunter im ersten Band die bekannte Casals-Bearbeitung. Die Lieder entstanden alle zwischen 1875 und 1889 und wurden außer von Casals von Ronchini, Liégeois, Périlhou und Büsser für Cello (oder Violine) und Klavier übertragen. Die Ausgaben lehnen sich eng an das Original, mitunter in etwas streicherfreundliche Tonarten transponiert. Im ersten Band schließt der Tonumfang die Daumenlage ein, im zweiten Band überschreitet er (mit Ausnahme eines einzigen Schlusstons) die ersten vier Lagen nicht. Ich denke, Bearbeitungen von Liedern für ein Streichinstrument und Klavier sind nicht grundsätzlich fragwürdig – wem es ähnlich ergeht, der möge die beiden Bände gerne zur Hand nehmen.
1996 erschien im Bärenreiter-Verlag ein Heft mit Bearbeitungen von vier Fauré-Liedern für Cello und Klavier, herausgegeben von Michael Staudt. Zwei Lieder dieser Ausgabe finden sich auch in der neuen Hamelle-Edition. Ein Vergleich ist eindrücklich, nicht nur wegen der unterschiedlichen Tonarten, sondern vor allem wegen der kreativen Freiheit, die sich Staudt gestattet.