John Cages Sturm auf die abendländische Musiktradition blieb nicht ohne Folgen. Zwischen stiller Bewunderung und radikaler Ablehnung ging sein Werk in die Geschichte ein. Zehn Jahre nach seinem Tod ist er selber fast ein Klassiker geworden, ein Teil der Tradition.
Claus-Steffen Mahnkopf: Mythos Cage, Wolke-Verlag, Hofheim 1999, 271 Seiten John Cages Sturm auf die abendländische Musiktradition blieb nicht ohne Folgen. Zwischen stiller Bewunderung und radikaler Ablehnung ging sein Werk in die Geschichte ein. Zehn Jahre nach seinem Tod ist er selber fast ein Klassiker geworden, ein Teil der Tradition. Wie kontrovers Cages Werk diskutiert wird, welche Lehren aus ihm zu ziehen sind, macht ein Sammelband deutlich, der selber wiederum Teil der Kontroverse wird. Herausgeber Claus-Steffen Mahnkopf, seines Zeichens Komponist und Kollege, der jüngeren Generation zugehörig, wagt sich ausschließlich polemisch an den „Mythos Cage“, so der Titel des Bandes. Neben einer großmäuligen Schelte steuert er lediglich eine Vorbemerkung bei, in der er neben der Fragestellung gleich die Antwort mitliefert. Es geht in den Beiträgen verschiedener Autoren darum, zu prüfen, „indem sie davon ausgehen, dass Cage mitnichten Zielpunkt musikgeschichtlicher Evolution, gar deren Umschlag ins Ganz-Andere, auch nicht der Generalschlüssel der dringenden gegenwärtigen musikästhetischen Probleme ist, sein kann“.Diese relative Vagheit verliert sich im zentralen Aufsatz über „Cages kompositorische Hinterlassenschaft“. Mit ihr gilt es schonungslos aufzuräumen, wie Autor Mahnkopf nicht müde wird zu betonen. Letztendlich, meint er, war Cage gar kein Musiker, weil seinem Verständnis gemäß jeder seinen Ton selber wählen kann. Auch macht Mahnkopf das zweideutige Grinsen des inkriminierten Komponisten irre.
Von kritischer Auseinandersetzung kann also hier nicht die Rede sein. Ein Glück, dass sich die anderen Autoren von des Herausgebers blinder Wut nicht haben anstecken lassen. In den meisten Beiträgen geht es um das Moment des Zufalls in Cages Ästhetik, den Jan Pepper zu stark mit dem Zen-Buddhismus verknüpft. Es war schon eher konsequentes Denken, das Cage mit dem Zufall zusammenbrachte. Stattdessen versteift sich Pepper auf den faschistischen Hintergund eines Zen-Meisters, dessen Vorlesungen Cage Anfang der fünfziger Jahre hörte.
Doch seine Kontakte zu Zen waren eher peripher und Cage hat sich nie, wie der Autor dann einräumt, einer Schulung dieser japanischen Lehre unterworfen. Auch hat er stets jegliche Form von Herrschaft abgelehnt, weshalb die ihm jetzt angehängte Verbindung zum Nazi-Regime rufschädigend, ja infam ist.
Es sind diese Differenzen zwischen der Ästhetik und Ideologie Cages und dem abendländischen Denken, die sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch ziehen. Beispielhaft bringt Larsen Powell das Ganze auf den Punkt, wenn er auf die Schwierigkeiten verweist, die der erkenntnisgeschulte Philosoph mit Cage haben muss.
Das Zufallsverfahren ist nicht schlicht Versuch, sondern reale Möglichkeit der Interpretation, der Objektivität zu fliehen. Cages Bemühen um eine entsubjektivierte Musik schließlich ist nur als Utopie zu verstehen. Sie kommt von einem Künstler, der „entschlossen, voller Energie, inspiriert und inspirierend (war) – zugleich war er belehrend, willkürlich und inkonsequent, und wie die meisten starken kreativen Persönlichkeiten unbeirrbar und ablehnend gegenüber Kritik an seinem Anliegen“. Und: „Er machte aus seinem Leben einen Mythos. Obschon er eine äußerst charmante, zutiefst menschliche Persönlichkeit war, ein Vorbild an Großzügigkeit gegenüber seinen Mitmenschen.“
Bitte beachten Sie auch unser Porträt des Komponisten Claus-Steffen Mahnkopf