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Das neue Musikleben abseits des Plattenladens

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Eine Essaysammlung zum virtuellen Musik(er-)leben
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Ayers, Michael D.: Cybersounds – Essays On Virtual Music Culture, Peter Lang Verlag, New York 2006, 282 S., € 29,40, ISBN 0-8204-7861-X,

Das Internet hat die Welt der Popmusik zerstört. So ist es doch, nicht wahr? Jedenfalls wenn man der Plattenindustrie beim konstanten Vortrag im Jammerton Glauben schenkt. Illegale Downloads, ob von Plattformen wie Napster oder direkt vom Rechner unbekannter Filesharing-Gleichgesinnter, haben das Geschäft mit den kostbaren Tondokumenten kaputt gemacht, so der herzerweichende Tenor. Aber ist der Umsatzeinbruch der Majorlabels der einzige Effekt, den das Kommunikationszeitalter auf die Rezeption von Musik hatte?

Der amerikanische Soziologe Michael D. Ayers ist als Herausgeber der englischsprachigen Essaysammlung „Cybersounds“ dieser Frage nachgegangen. Ayers und seine Autoren haben dabei das Thema Musik im Internet, also im Cyberspace, von verschiedenen Seiten betrachtet. Dazu hat man die Zusammensetzung und das Verhalten verschiedener musik-affiner Gruppen, die sich in Web-Foren zusammengeschlossen haben, nachgezeichnet. Als Beispiele werden die Fangemeinde der englischen Band New Model Army und zwei Hip-Hop-Communities aus den USA und Südafrika untersucht. Was bewegt diese zusammengeschweißten Fangemeinden, sind sie pubertäre jugendliche Götzenanbeter auf Sinnsuche oder handelt es sich bei ihnen um Musikfanatiker, die in den Internet-Foren musikalischen Inhalten auf der Spur sind, welche ihnen die Industrie nicht bieten kann oder will? Wer bewegt sich in der halblegalen Welt des „Filesharing“, wo man es vorzieht, Musik herunterzuladen, ohne dafür zu bezahlen? Die Autoren kommen hier teilweise zu überraschenden Ergebnissen und machen den Leser auch mit Gruppen wie den „Bootleggern“ bekannt, die in virtuellen Tauschbörsen selbst gemachte Live-Aufnahmen von Konzerten anbieten, ohne dabei kommerziellen Erfolg anzustreben. Im Vordergrund steht der „not for profit“-Dienst an einer Gemeinschaft, die keineswegs willenlose Konsumherde sein möchte, sondern ihr Musikleben eigenständig gestalten will.

„Cybersounds“ ist trotz des musikalischen Themenbezugs kein Musikbuch. Es handelt sich bei den sprachlich manchmal nicht ganz einfachen Texten um soziologische Betrachtungen aktueller Musikkultur, die sich vor allem mit den Menschen und deren Motivationen befassen. Dabei untersuchen die Autoren auch die Veränderungen im so explosionsartig gewachsenen Medium Internet. Dessen Entwicklungsphase als Massenmedium dauert mittlerweile mehr als eine Dekade an und das Erscheinungsbild des Cyberspace ist zuletzt durch Trends wie Podcasting und Selbstdarstellungsplattformen wie „myspace“ stark verändert worden. Gerade diese interaktiven Möglichkeiten, ergänzt durch Audioproduktionssoftwares für den Privatgebrauch, die den immer zahlreicher werdenden PC-Amateurmusikern die Teilnahme am virtuellen Musikleben erlauben, werden in dem Buch kritisch untersucht. Dabei kommt der Leser auch in den Genuss einer Kostprobe gängiger Chat-Unterhaltungen zwischen Teilnehmern eines Forums für „Musikproduzenten“ und wird über Fachausdrücke virtueller Zusammenhänge wie „p2p“ (peer-to-peer), „digital sampling“ oder die „mp3 revolution“ aufgeklärt.

Was wäre eine Sammlung von Essays über die heutige Musikkultur ohne einen Beitrag zum Kassenschlager der Medienbranche, Apples iPod? Das Kapitel „Hacking the iPod“ liefert einen genaueren Blick auf den meistverkauften Musicplayer, seit Sony in den 80er-Jahren den Walkman vorgestellt hat.

Abschließend werden die vorgestellten Thesen noch einmal zusammengefasst und überprüft. Auch die Frage „Was wäre, wenn es keine Musikindustrie gäbe?“, darf hier gestellt werden. Die Antwort liegt allerdings im Gegensatz zum restlichen im Buch unterbreiteten Gedankengut in der Vergangenheit und wird wohl so bald nicht mehr relevant werden. Immer relevant ist es allerdings, neue Erscheinungen in der Musikwelt zu reflektieren. Insofern hat Michael D. Ayers mit seiner Essaysammlung ein wichtiges Buch zum Verständnis aktueller kultureller Strömungen und Verhaltensweisen vorgelegt.

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