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Drei Rihm-Bücher.
Drei Rihm-Bücher.
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Der Unermüdliche

Untertitel
Neue Bücher über den Komponisten Wolfgang Rihm
Publikationsdatum
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Frieder Reininghaus: Rihm. Der Repräsentative, Königshausen & Neumann, Würzburg 2021, 307 S., € 34,00, ISBN: 978-3-8260-7445-5 – Eleonore Büning: Wolfgang Rihm – Über die Linie. Die Biographie, Benevento, Elsbethen 2022, 352 S., € 24,00, ISBN 978-3-7109-0147-8 – Frederike Möller: Wahn-Sinn im Musiktheater Wolfgang Rihms, Studio Verlag im Verlag Königshausen & Neumann 2021, 155 S., Notenbsp., € 34,80, ISBN 978-3-8260-7020-4

Der Meist-Beschriebene? Vielleicht. Auf jeden Fall ein Viel-Gewürdigter. Und nun auch „Der Repräsentative“. So zumindest lautet der Titel einer monographischen Würdigung, die Frieder Reininghaus aus Anlass von Wolfgang Rihms 70. Geburtstag veröffentlicht hat. In sieben „Zeitfenstern“, also in sieben voneinander separierten, weitgehend einer chronologischen Ordnung folgenden Teilen nähert sich Reininghaus der Person und dem Werk des deutschen Ausnahme-Komponisten. Rihm, der Komponist, geht dabei immer auch einher mit Rihm, dem Weltbetrachter, dem philosophischen Beobachter. Das eher beiläufig nach mehr als hundert Seiten geäußerte Diktum Nike Wagners, Rihm sei „sprachlich keineswegs leicht zu fassen“, stellt für Reininghaus keine Hürde dar. Er hat sein Buch analog zu Rihms eigenem Motto verfasst: „Komponieren ist: durch Zusammenstellen von Möglichkeiten einen Raum schaffen, in dem Musik erscheinen könnte.“ 

Auch Reininghaus stellt verschiedene „Möglichkeiten“ zusammen, wie man sich der gedanklichen und musikalischen Welt des Wolfgang Rihm nähern kann – und auch der Person, die im „Zeitfenster IV“ als „Gourmand, Gourmet und Revoluzzer“ vorgestellt wird und später auch Rihm, dem „Bildenden Künstler“. Doch immer wieder drängt sich – analog zu Goethe und Thomas Mann in der Literatur oder zu Richard Strauss in der Musik – die Frage nach dem Repräsentativen auf, wie bereits der Untertitel des Buches andeutet: „Neue Musik in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland“. Anders gesagt: Rihm hat immer den Wunsch gelebt, „nicht als oberflächlicher Gesell abgestempelt, sondern als Repräsentant einer ‚im höchsten Grade guten Gesellschaft‘ anerkannt zu werden“.

Um zu tragfähigen Beobachtungen zu gelangen, hat Reininghaus etliche, teils neue Quellen gesichtet, Selbstauskünfte Rihms gebündelt, Rundfunkbeiträge, Texte aus Zeitungen und Zeitschriften etc. zusammengetragen. Reininghaus lugt dabei immer wieder über den Tellerrand hinaus, fragt, ordnet ein, was sich in den jeweiligen Jahrzehnten bei Rihm und parallel in der Bundesrepublik ereignet und entwickelt hat. Es ist ein komplexes Buch, in jenem Maße anschaulich, wie man es von einem rundfunkerfahrenen Mann wie Reininghaus erwarten darf, und zugleich vielschichtig, weil er kompliziertere Argumentations-Pfade nicht scheut. Wenn der Autor Rihms Essay „Zu spät“ von 1985 resümierend bewertet mit den Worten: „Das alles verrät feine Beobachtungsgabe und bereits konsolidierte Erfahrung“, so gilt dies sicher auch für das vorliegende Buch.

Nun komme niemand und erwarte ein Votum in Kategorien wie „besser“ oder „schlechter“, wenn man diesem Band einen zweiten zur Seite stellt. Er ist anders. Er ist ein Äquivalent, eine Ergänzung. Eleonore Büning hat ihre Biographie mit einem (von Ernst Jünger entliehenen) Werktitel des Komponisten versehen: „Über die Linie“ und deutet damit an, dass Rihm sich immer auch als ein Künstler verstanden hat, der das Diesseits von Linien und Konventionen genau gekannt und das Jenseits davon gern ausgetestet hat.

Büning liefert ein sehr unmittelbares, plastisches Porträt von einem Mann, dessen Schaffensethos mit dem Begriff unermüdlich eigentlich zu milde umschrieben ist. Immer wieder schimmert in diesem Buch die Botschaft durch: Habt keine Angst vor Neuer Musik, und wenn, dann ist Rihm der erste, der sie einem nehmen kann. Büning erinnert in diesem Kontext an die frühe Beobachtung eines Journalisten, der darauf hingewiesen hat, dass Rihms Werke „in Konzertsälen und in Opernhäusern eigentlich besser aufgehoben wären als auf spezialisierten Festivals der Avantgarde“. Doch Büning bedient nicht nur die Oberflächen, sie schaut, wo hilfreich, gezielt in die Noten und erklärt, wie Rihm seine Botschaften formuliert und wie man sie entschlüsseln kann.

Rihm selbst hat sich, so liest man im Vorwort, diese Biografie gewünscht. Wer nun glaubt, das Buch diene der Selbstverklärung, irrt. Nähe und Nahblicke gehen einher mit jahrzehntelanger musik-kritischer Begleitung. Da kann es im direkten Dialog noch so sehr zu apodiktischen Aussagen kommen: „Du bist der Inbegriff krisenfesten Komponierens“, „Du giltst als ein Vielschreiberling“. In diesem 12-seitigen Interview kann man dem Komponisten ein wenig über die Schulter blicken: „Wie sähe […] ein idealer Komponistentagesablauf aus?“, „Kommt es vor, dass du auf einen Einfall warten musst?“ Rihm antwortet, so gut er kann und so genau sich der Prozess des Schreibens überhaupt in Worte fassen lässt.

Zu diesem Zeitpunkt liegen bereits knapp 250 Seiten Lektüre hinter einem, und sie vermitteln immer wieder den Eindruck: Wer Rihm nicht oder nur wenig kennt, wer sich mit ihm und seinem Werk vertraut machen möchte, sollte zuerst zu diesem Buch greifen, erst danach zu Reininghaus. Der eine Band führt ins Thema ein und uns heran, der andere tiefer hinein ins Dickicht; der eine ist für wirklich alle, die neugierig und interessiert sind, der andere eher für solche, die mit der Materie schon vertrauter sind. Das zeigt auch ein Vergleich der Anhänge: Bei Büning gibt es, ganz praxisnah, eine 40-seitige Diskographie aller Werke Rihms, die bis Ende 2021 auf Tonträger eingespielt worden sind, Reininghaus beschränkt sich auf Quellennachweise. Mit Regis­tern sind beide Bände ausgestattet. 

Ein drittes Buch soll zumindest Erwähnung finden. Bereits im vergangenen Jahr ist eine Spezial-Studie erschienen, in der Frederike Möller sich allein mit dem Musiktheater Wolfgang Rihms auseinandersetzt, im Besonderen mit dem Thema „Wahn-Sinn“. In dieser ebenso akribischen wie vorwiegend an ein Fachpublikum gerichteten Untersuchung kreist (fast) alles um die Frage, auf welch unterschiedliche Weisen Rihm den Wahnsinn Klang werden lässt, wie er ihn musikdramaturgisch einbindet und was sich daraus über unsere Zeit ablesen lässt.

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