Man mag von nachträglichen Komplettierungen Mozart’scher Fragmente halten was man will – der eine Mozartianer könnte sie kategorisch ablehnen, ausrufend, es sei doch ein Sakrileg, wenn nicht gar Hybris, Unfertiges des „großen Göttlichen" vollenden zu wollen. Der andere könnte aber genauso gut der Meinung sein, dass auch die kleinste Krakelei aus Wolferls Feder es wert ist, veröffentlicht zu werden um sie dem Musikleben einzuverleiben.
W.A. Mozart: Adagio C-Dur für Englisch Horn (Bassetthorn, Viola), 2 Violinen und Violoncello KV 580a (Anh. 94), ergänzt von Paul Angerer, Diletto Musicale, Doblinger, Reihe Alter Musik (DM 1282), 23 Mark. Man mag von nachträglichen Komplettierungen Mozart’scher Fragmente halten was man will – der eine Mozartianer könnte sie kategorisch ablehnen, ausrufend, es sei doch ein Sakrileg, wenn nicht gar Hybris, Unfertiges des „großen Göttlichen" vollenden zu wollen. Der andere könnte aber genauso gut der Meinung sein, dass auch die kleinste Krakelei aus Wolferls Feder es wert ist, veröffentlicht zu werden um sie dem Musikleben einzuverleiben. Im Falle des Englisch Horn-Fragments KV 580a (Anh. 94) ist die Ergänzung durch Paul Angerer in mehrfacher Hinsicht zu begrüßen. Zum einen darf sich jeder Englisch Hornist freuen, nun endlich auch einmal Mozart im Quartett mit Streichern spielen zu können (auch wenn eine originale autografe Instrumentenangabe fehlt und eventuell auch Bassetthorn gemeint sein könnte). Zum anderen ist der Satz sehr ausdrucksvoll und musizierenswert.Ein interessantes Kuriosum ist auch, dass die einleitende Melodie mit dem Beginn des „Ave verum corpus" KV 618 fast vollkommen übereinstimmt, was B. Paumgartner (der vor mehr als 75 Jahren ebenfalls eine Ergänzung des Fragments vorgelegt hatte) vermuten ließ, Mozart habe das Stück nicht fertig geschrieben, weil er die Gedanken im „Ave verum corpus" vollkommener ausformuliert habe. So schön diese Idee auch ist, so unbeweisbar ist sie zugleich, denn bis heute konnte das Englisch Horn-Fragment nicht genau datiert werden, mithin gleicht die Frage nach der Verwandtschaft beider Werke der nach der Henne und dem Ei. Wie in vielen anderen Fragmenten fehlten Bass- und Mittelstimmen vom Doppelstrich bis zum Ende; Angerers Zutat macht also höchstens ein Drittel des Werkes aus und ist durchaus reizvoll gestaltet.
So setzt er die Reprise keineswegs einfallslos notengetreu, sondern verlagert den Bass in einen lichteren Tonraum und lässt sich, geradezu detektivisch angeregt von einem winzigen autografen Einwurf in der Violine, mehrere Takte lang zu einem dialogischen Wechselspiel zwischen Violine und Englischhorn hinreißen. Da auch eine Bratschenstimme beiliegt, dürfen sich mit diesem schönen, etwas melancholischen Satz auch die ansonsten mehr im Hintergrund agierenden Musiker „nach vorne" spielen. Am Rande hätte der Herausgeber jedoch einige spieltechnische Empfehlungen aussprechen können.