Ulrich Schreiber: Opernführer für Fortgeschrittene. Die Geschichte des Musiktheaters. Bärenreiter-Verlag 2010. Fünf Bände, kartoniert, 3.736 Seiten, € 99,00, ISBN 978-3-7618-1960-9
Dass es sich bei Ulrich Schreibers zwischen 1988 und 2006 erschienenem „Opernführer für Fortgeschrittene“ um ein veritables Meisterwerk der Musikgeschichtsschreibung handelt, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Der für ein Opus dieses Ausmaßes leicht untertriebene Haupttitel trifft in Verbindung mit dem Untertitel den Kern von dessen Qualität. Dem 2007 verstorbenen Universalgelehrten des Musiktheaters ist es gelungen, die klug gewählten (und in Überschriften oftmals brillant auf den Punkt gebrachten) Schwerpunktsetzungen und die Zusammenschau ästhetischer wie nationaler Eigenarten mit einer immer wieder detailgenauen Innenschau einzelner Werke so zu verblenden, dass sich beide Blickwinkel stets aufs Neue gegenseitig erhellen.
Wenn Schreiber etwa ausführlich die komplizierte Entstehungsgeschichte von Beethovens Fidelio und dessen gattungsgeschichtliches Umfeld reflektiert, hat dies unmittelbare Auswirkungen für die Werkbetrachtung, deren Ausgangspunkt die Annahme einer „Substanzverdichtung“ durch eben diesen Entstehungsprozess ist. Wie selbstverständlich fließen aufgrund Schreibers immenser Repertoirekenntnis auch immer wieder Ausblicke auf wechselseitige Einflussnahmen mit bekannteren und weniger geläufigen Opern mit ein.
Diese Anlage ermöglicht über alle Bände hinweg somit sowohl eine lineare Lektüre im Sinne einer „Geschichte“, als auch das punktuelle Nachschlagen im „Opernführer“. Dass dabei ein Nacherzählen des Inhalts Akt für Akt zugunsten einer die entscheidenden Handlungselemente wie selbstverständlich in die Gesamtbetrachtung einbettenden Vorgehensweise fortbleibt, ist dabei kein Mangel, sondern eine konsequente Folge von Schreibers durchdachtem Konzept, das im übrigen einen hocherfreulichen Schwerpunkt auf das 20. Jahrhundert setzt, dem drei Teilbände gewidmet sind.
Grund genug, das schwergewichtige und in der Originalausgabe nicht ganz billige Werk nun auch in einer halbwegs handlichen, preisgünstigeren Ausgabe bereitzustellen. Viele Opernfreunde und Studierende werden es dem Bärenreiter Verlag danken und ihm nachsehen, dass die Druckqualität, anders als der Inhalt, gewissen Schwankungen unterworfen ist. Kaufen, lesen, hören!