Stephen Johnson: Klassik; David McCleery: Romantik, beide Bände übersetzt von Maria Heyne, Reihe: Musik entdecken Lambert Schneider Verlag, Darmstadt 2013, 112 bzw. 160 S., jeweils € 19,90, ISBN 978-3-650-25765-9 bzw. ISBN 978-3-650-25766-6
Wann und mit welchen Komponisten beginnt die musikalische Klassik, wann und mit wem die Romantik? Die Abgrenzungsversuche sind kaum noch zu zählen. Wer jüngst in einem bekannten Lexikon unter den Romantikern nach Schubert suchte, war überrascht, ihn bei der Klassik zu finden; umgekehrt „teilen“ andere Autoren inzwischen den offenbar gar nicht mehr so eindeutigen Beethoven und rechnen ihn bis zur „Eroica“ ins klassische, für die Werke danach ins romantische Fach.
In dem zur Wissenschaftlichen Buchgesellschaft zählenden Lambert Schneider Verlag sind jüngst drei aus Großbritannien übernommene Kurzeinführungen zum Barock, zur Klassik und zur Romantik erschienen. Beschränkt man sich auf die beiden letztgenannten Bände, so fällt auf, dass bei der Klassik der Autor, der britische Musikwissenschaftler Stephen Johnson, vergleichsweise weit zurückgreift und schon Gluck und die Bachsöhne Carl Philipp Emanuel und Johann Christian hinzuzählt, bei Beethoven aber mit den Frühwerken aufhört. Der Romantik-Band, geschrieben von David McCleery, beginnt dagegen mit einem ausführlichen Beethoven-Kapitel, nimmt dann alle großen Komponisten des 19. Jahrhunderts auf und sieht als Bewahrer der Romantik auch noch Richard Strauss, Puccini, Rachmaninow und Elgar.
Auf jeweils nur gut 100 Seiten derart komplexe Themen zu behandeln, gelingt nur bei äußerster Verknappung. Beiden Autoren ist das alles in allem gut gelungen. Nach jeweils kurzen historischen Einführungen, die für die Klassik die Erfahrung von Aufklärung und Französischer Revolution, für die Romantik das traumatische Erlebnis Napoleon herausstellen, wird in chronologischer Folge die musikalische Entwicklung mit ihren bedeutendsten Vertretern geschildert. Für die Klassik zitiert Stephen Johnson den italienischen Renaissance-Theoretiker Leon Battista Alberti, für den Klassik „Harmonie und Zusammenklang aller Teile“ bedeutet; für David McCleery wiederum ist Romantik die Abkehr von den formalen Konventionen des 18. Jahrhunderts und Raum für ungewöhnliche Leidenschaften und tiefe menschliche Emotionen, Vorliebe für Natur und Volkslieder sowie für nationale Besonderheiten.
Der Klassik-Band beschränkt sich weitgehend auf den deutschsprachigen Raum; hier gefällt, wie der Autor entsprechend an einem Musikstück die „Klassik“ des Komponisten verdeutlicht, etwa bei Haydn an dessen Quartetten op. 33, bei Boccherini am langsamen Satz des dritten Cellokonzertes, bei Mozart an Arien aus der „Zauberflöte“ und „Figaros Hochzeit“, bei Beet-hoven am zweiten Satz der zweiten Sinfonie. Der mit Beethoven beginnende Romantik-Band greift weiter aus. Neben deutschen Komponisten von Schubert über Wagner bis zu Mahler sind fast alle europäischen Nationen vertreten. Das ganze 19. Jahrhundert, so sieht es der Autor, ist – bis hin zu Tschaikowski, Dvorák, Grieg und Nielsen (die großen Italiener ohnehin), ja bis zum Schönberg der „Gurre-Lieder“ – ein romantisches Jahrhundert. Bei der Fülle von Namen tritt die exemplarische Erklärung am einzelnen Musikstück zwangsläufig hinter die Information über den jeweiligen Komponisten etwas zurück.
Die Bände verstehen sich als erste Informationsquelle für interessierte Laien. Sie sind vorzüglich aufgemacht: eine sorgfältige Bebilderung, eine Zeittafel mit Einbeziehung von Politik, Literatur und Technik, ein Verzeichnis musikalischer Grundbegriffe, viele im Text abgesetzte Originalzitate von Musikern oder über sie und dazu jeweils eine CD mit Musikbeispielen, auf die im Text Bezug genommen wird. Was leider fehlt, ist eine weiterführende Bibliographie, mit der man das erworbene Wissen wohl leichter noch vertiefen könnte.