„Das Böse ist immer und überall!“, singt die Band „Erste Allgemeine Verunsicherung“. Das lässt wenig Hoffnung; dabei hatte man uns doch immer gesagt „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“. Geht es in diesem Sprichwort wirklich ausschließlich um das Phänomen des Singens und nicht um Musik im Allgemeinen? Zumindest ein Blick in die Kriminalliteratur der letzten Jahre zeigt, dass auch im Bereich der Musik gelogen und betrogen, eingebrochen und gestohlen und Mord und Totschlag verübt wird. Schlimmer noch: sogar vor den heiligen Hallen der Kirchen wird nicht Halt gemacht. Da werden Kirchenmusiker umgebracht und die Leichname in der Orgel versteckt. Sodom und Gomorra!
Nun gibt es unter den Menschen zwei grundverschiedene Urlaubstypen: Die einen wollen von allem, was mit ihrer Arbeit zu tun hat, ihre Ruhe haben; die anderen wollen alle nicht-alltäglichen Ecken und Nischen ihrer Profession erforschen. Der zweiten Gruppe sollen hier einige Musikkrimis mit ins Urlaubsgepäck gelegt werden. Musikkrimis sind eine noch nicht so ausgebaute Gattung, aber die wenigen Exemplare, die es gibt, versprechen Spannung und Unerwartetes. Leichen gibt es reichlich!
Frau Helbing ist in Eberhard Michaelys Kriminalfall eine einfache Frau. Ihr Leben lang hat sie in der Fleischerei Ihres Mannes mitgearbeitet. Nun ist ihr Mann tot, und sie lebt ein sehr strukturiertes und ereignisarmes Leben. Als in der Wohnung über ihr Herr von Pohl, ein Fagottist, einzieht, ändert sich ihre Welt. Pohl lädt die Nachbarin ins Konzert ein – und Helbing wird in eine ihr vollkommen neue Welt eingeführt. Als von Pohl bei einem Kaffeebesuch sein Fagott bei ihr vergisst und kurz darauf tot aufgefunden wird, ist sie – entgegen der Polizei – fest davon überzeugt, dass es Mord war. Wie anders könnte man die drei Wespenstiche unter den Fußsohlen des nackt aufgefundenen von Pohl erklären? Auch die Unordnung in seiner Wohnung passt nicht zu ihm. Helbing ermittelt, lernt noch mehr Neues kennen (u. a. ein Nachtsichtgerät und Croissants), blamiert am Ende die Polizei und bleibt bei allem völlig normal, die Alte. Frau Helbing kann man nur lieben!
Der Messias ist das Meisterstück des Geigenbauers Antonio Stradivari. Sie steht im Museum und wurde nur von sehr wenigen Menschen jemals bespielt. Stradivari hat in Natasha Korsakovas Commissario Di Bernardo-Krimi „Tödliche Sonate“ ein Geheimnis, denn er hat eine Zwillingsvioline, die „Rosenknospe“, zum Messias gebaut, es aber allen verschwiegen. Was hat der Messias mit dem brutalen Mord an der unbeliebten und gefürchteten römischen Musikagentin Cornelia Giordano zu tun? Schon früh meldet sich der Mörder im Krimi selbst zu Wort – ohne sich zu erkennen zu geben: „Die Morde sollen eine Komposition sein. Meine Komposition. Cornelias Tod: der fulminante Auftakt, erster Satz der tödlichen Sonate. Dann der zweite Satz – die erfolglose Suche des Commissario, ein schleppendes Tempo, in Moll.“ Es kommt anders. Commissario Di Bernardo braucht reichlich Umwege, um dem Mörder und dem Motiv des Mordes auf die Spur zu kommen. Die Autorin, selbst Konzertgeigerin, entführt den Leser kompetent und kenntnisreich in die höchst eigenwillige Welt von Künstlern, Geigenbauern und Musikmanagern, eine Welt, in der es vor Intrigen nur so wimmelt. Das unerwartete Ende hat etwas Märchenhaftes.