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Ein Komponist mit unbekannten Novellen …

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… und ein Verdi-Roman: Zwei Empfehlungen aus der Rubrik „Nicht-Sachbuch“
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In jahresrückblickenden Umfragen gibt es hin und wieder die Rubrik: „Was würden Sie einem Musikfreund schenken, der schon alles hat?“ Die Antwort müsste in diesem Jahr lauten: Sergei Prokofjevs Erzählungen. – Prokofjev, der Komponist? Auch er hat, wie weiland Weber, Wagner, Schumann oder – mit anderer Gewichtung – E.T.A. Hoffmann, sich auch auf literarischem Gebiet versucht. Aber nicht, wie zu vermuten wäre, am Beginn seiner Laufbahn, als blutjunger Neuling, sondern mit rund 30 Jahren. Zwischen 1917 und 1921 sind Prokofjevs Texte entstanden, meist während Fahrten mit der Eisenbahn – Erzählungen, die ihre russischen Vorbilder im Umfeld eines Gogol, Gontscharow oder Tschechow nicht verhehlen können.

Elf Geschichten, drei davon unvollendet, liegen nun erstmals in deutscher Übersetzung vor. Man darf bei der Lektüre mitunter rätseln, warum Prokofjev diese oder jene Geschichte so enden lässt und nicht anders. Meist spiegeln die Geschichten eine Rastlosigkeit, die zu Prokofjevs Leben in jenen Jahren wunderbar passt, weil er schwankte, ob er sein Glück weiter in Russland oder doch lieber in Paris oder gar in Amerika versuchen solle.

Kein Wunder also, wenn in einer der Geschichten der Pariser Eiffelturm aufbricht, um seinen Halb-Bruder im Geiste, den Turm von Babel, zu besuchen. Doch die Route ist beschwerlich, stehen doch mehrere Hindernisse – geologische wie Mittelmeer und Alpen sowie menschliche wie der „General von Magenschmerzen“ – einer erfolgreichen Ankunft im Wege.

Da diese Novellchen in russischen Zeitschriften veröffentlicht wurden, darf man sich fragen, inwieweit sich Prokofjev als Literat ein zweites Standbein errichten wollte. Kurios genug sind die Texte: Mal geht es um Schopenhauers Pudel, mal um einen reichen amerikanischen Öl-Kapitalisten – das Spektrum ist breit, die Texte sind kühn, nicht alle brillant, aber wunderbar unterhaltsam. Und die Editionsgeschichte ist es auch. Das Nachwort liest sich wie eine zwölfte Novelle.

Ebenfalls in der Edition Elke Heidenreich erschienen ist ein Verdi-Buch, das angesichts der zu erwartenden Fülle an Sachbüchern im Verdi-Wagner-Jahr 2013 eine Sonderstellung einnehmen dürfte. Lea Singer hat einen Roman über Giuseppe und seine Giuseppina geschrieben und, als dritte Hauptfigur, über Teresa Stolz, jene tschechische Sopranistin, die in mehreren Verdi-Opern reüssierte und sich nicht nur damit die Gunst des Genius erwarb. Singer wirft ein sensibles Licht auf die drei Hauptbeteiligten, auf ihr Innenleben, die Verletzlichkeit ihrer Seelen und den Umgang mit öffentlichem Klatsch. Die biographisch verbürgte Situation hat Singer zu einem stimmungsvollen, nie der Gefahr des Kitsches erliegenden Roman verdichtet. Drei Seelen, drei Perspektiven – eigentlich ein Opernstoff.

 

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