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Eine Brücke zwischen Pädagogik und Therapie

Untertitel
Vorträge und Schriften zum Thema Akustische Ökologie und Elementare Musik
Publikationsdatum
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Klaus Leidecker: Musik als Begegnung. Schöpferisches Handeln zwischen Pädagogik und Therapie, Reichert Verlag, Wiesbaden 2002, 154 S., € 18,-, ISBN 3-89500-256-9

„Musik als Begegnung sucht den Menschen auf – zum Beispiel als Übenden, als Lernenden, als Sich-Entwickelnden, als Klienten – im Kontakt mit seinen individuellen Kraftquellen, im Kontakt mit der Welt als Komposition, als Spiegel.“ Mit diesen aussagekräftigen Worten leitet Klaus Leidecker sein Buch ein, welches 2002 veröffentlicht wurde. Es besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil beinhaltet Vorträge und Schriften zu den Themen Akustische Ökologie und Elementare Musik, Beiträge zur Musikanthropologie und methodisch-didaktische Ansätze aus seiner Werkstatt-Arbeit mit Musik- und Sozialpädagogik-Student/-innen mit einer Fülle von praktischen Beispielen.

Der zweite Teil – die Studie „Klänge der Betäubung“ – gibt einen faszinierenden Erfahrungsbericht von seiner musiktherapeutischen Arbeit mit Alkoholikern, der meiner Ansicht nach auch auf andere Handlungsfelder übertragbar ist. In allen Beiträgen spiegelt sich die besondere Sichtweise von Klaus Leidecker wider. Ob in der Musikpädagogik oder Musiktherapie, immer geht es um den Menschen, um ein Verbinden von innen und außen sowie oben und unten. Es geht um ein Anschließen an die innere Kraftquelle, das Einbeziehen der Welt als Komposition und als äußerer Spiegel und um ein Einbetten der Erfahrungen und des schöpferischen Handelns in das große Ganze. In einem der Vorträge wird diese Sichtweise besonders deutlich. Klaus Leidecker beschreibt darin seine pädagogische Zielsetzung anhand einer symbolischen Tonleiter: Am Anfang steht der Grundton, Ausgangspunkt für vieles, für alles. Im pädagogischen und therapeutischen Kontext ist dies die „Erfahrung“. Der Pädagoge und Therapeut muss gleichermaßen einen Erfahrungsraum schaffen, der geschützt ist für individuelles Suchen und Finden. Improvisation ist dabei der Schlüsselbegriff. Leidecker definiert Improvisation als „Jetzt im Klang“.

Aus der Erfahrung erwächst die zweite Stufe der Tonleiter, die er mit „Erkenntnis“ beschreibt. Das Wissen entsteht aus der Erfahrung, aus dem Handeln von innen heraus. Die dritte Stufe heißt „Übung“. Aus der Fülle der Möglichkeiten soll der individuelle Standpunkt gefunden werden, das braucht Übung. Selbst der Leser/-in ist in diesen Prozess von Erfahrung – Erkenntnis – Übung miteinbezogen: Die vielen praktischen Anregungen knüpfen an eigene Erfahrungen an, lassen die Erkenntnisse, die besonders in den Vorträgen im ersten Teil zu finden sind, begreifen und fordern spielerisch auf, eigene Standpunkte zu finden. Aus der Übung ergibt sich fast wie von selbst die vierte und fünfte Stufe der Tonleiter, die „Entwicklung“ und die „Integration“ oder „Reife“. Der Übende entwickelt sich auf seinem Weg und verbindet sich und die Welt in ein Ganzes. „Musik ist nicht Teil der Welt, sie ist die Welt selber in dieser besonderen Sprache der Musik“. Der sechste Schritt heißt Person, der Zielpunkt von Entwicklung und Reife. Erinnernd an die Wortbedeutung (personare – hindurchtönen) geht es Leidecker um den Menschen, der selber klingend werden kann und sich schließlich selber als Instrument versteht. Dieser Mensch kann „ausstrahlen“ und „Leitton für andere“ werden, auch neue Grundtöne ermöglichen. Der siebte Ton heißt demnach „(Aus-)Strahlen“ oder „Lehren“. „So wäre Pädagogik schließlich die Aufgabe, Person, Persönlichkeit zum Aus-Strahlen zu bringen.“

Dieses Beispiel der symbolischen Tonleiter zeigt die grundlegende Haltung des Autors, die in allen Themen zu finden ist. Die zahlreichen praktischen Beispiele spiegeln den reichen Erfahrungs- und Kenntnisschatz des Autors wieder. Der persönliche Schreibstil lässt die eigene Persönlichkeit erahnen. Die Leserin und der Leser finden knappe, leicht zu lesende Beschreibungen vor, erhalten viele originelle Anregungen für die Praxis mit theoretischer Anbindung. Das Buch ist eine Besonderheit sowohl für Pädagogen/-innen als auch für Therapeuten/-innen aus der Musik- und Sozialpädagogik und Musiktherapie. Es bildet eine wichtige Brücke zwischen Musikpädagogik und Musiktherapie.

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