Unsere nmz-Redaktion mit Tipps für den Gabentisch.
Sven „Katmando“ Christ: Soulfood. Food & Music, Fat & Yummy – The Roots Of African American Cooking, Box-Set: Kochbuch 156 Seiten mit 68 Rezepten & CD mit 18 Tracks und Booklet, Trikont US-0442, € 21,80
Bei diesem Soundtrack hält es einem nicht auf dem Stuhl, da heißt es aufstehen, einkaufen und den Kochlöffel schwingen. Etwas Wunderbares hat sich das Münchner Label Trikont wieder einmal einfallen lassen: ein souliges Kochbuch mit Musik. Die Rezepte sind so saftig und sinnlich wie die 18 Songs zum Thema Essen und Kochen unter anderem von Bo Diddley, der das Titelstück beisteuert, Rufus Thomas, Dr. John oder Andre Williams mit „Pig Snoots“. Viel vom Schwein und andere exotische Zutaten werden in den Rezepten verwendet: gefüllte Rinderzunge, Alligatoreintopf oder gegrillte Schweinefüße heizen sicher auch in winterlichen deutschen Küchen ein, alles ist übrigens zweisprachig abgedruckt.
Ursula Gaisa
Friedrich Christian Delius: Die Flatterzunge – Erzählung, rororo-Taschenbuch, 144 Seiten, ISBN-13: 978-3499228872, € 7,99
Wie schnell verdrängen (Musik-)menschen vermutete Skandale? 1997 unterschreibt ein Trompeter des Orchesters der Deutschen Oper Berlin eine Hotelrechnung in Tel Aviv leicht angetrunken mit „Adolf Hitler“. Ein Sturm der Empörung bricht aus. Das Ganze wird zum Politikum hochgehievt: Empfindliche Störung des deutsch-israelischen Verhältnisses. Der Musiker verliert Existenz, soziale Kontakte – auch seine Freundin. F. C. Delius erzählt (schon vor zwölf Jahren) diese Komik-Tragödie hochsensibel und herrlich politisch unkorrekt. Ich hab sie gerade erst entdeckt und empfehle sie rückhaltlos.
Theo Geißler
Claus Wischmann, Martin Baer: Kinshasa Symphony, DVD, 95 Minuten, e 14,80
„Das einzige Sinfonieorchester in Zentralafrika“ ist in der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo beheimatet: einem extrem armen Land, das mit zahlreichen Problemen kämpft. Der Film „Kinshasa Symphony“ zeigt, wie Laienmusiker (Orchester und Chor) mit Hilfe der Musik ein Gegengewicht zu ihrem schwierigen Alltag finden. „Klassische Musik ist mein Lebensinhalt geworden. Ich träume davon, etwas Großes mit der Musik zu machen“, erklärt – zum Beispiel – ein junger Chor-Sänger. Ein großartiger, höchst sehenswerter Film über ein bewundernswertes Projekt in einem gebeutelten Land – und über die Kraft der Musik.
Barbara Haack
Markus Metz und Georg Seeßlen: Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität, Suhrkamp 2011, 782 Seiten, € 25,70 Euro
Eine fatale Analyse des gesellschaftlichen Wandels der letzten Jahrzehnte über eine Gesellschaft, die nichts mehr von sich wissen will und über die selbsterwählte „Didaktik“ und Methodik der Verblödung in Politik, Wirtschaft und Kultur. Leider können uns die Autoren keine Hoffnung machen außer derjenigen, nicht aufzuhören zu denken. Irgendwie sind wir ganz schön selbst schuld an allem. So blöde muss man auch erst einmal sein.
Martin Hufner
Jan Assmann (Hrsg.): Die Zauberflöte. Ein literarischer Opernbegleiter. Mit dem Libretto Emanuel Schikaneders und verwandten Märchendichtungen, Manesse, 448 Seiten, € 19,95, ISBN: 978-3-7175-2294-2
Mit seiner perspektivreichen Aufschlüsselung der „Zauberflöte“ aus der Sicht eines Ägyptologen hat Jan Assmann vor einigen Jahren für Furore gesorgt. Seine schlüssige Deutung der Oper als ein zwischen Initiation und Volkstheater, zwischen Orpheus-Umdeutung und humoristischer Brechung changierendes Meisterwerk präsentiert der Mozart-Kenner nun im Kontext: Das ebenso schöne wie handliche Büchlein enthält neben dem Original-Libretto und Assmanns Interpretation viele Texte, die Schikaneder und Mozart als Inspritation dienten, dazu Goethes Fortsetzungs-Fragment. Ein hochwillkommener Begleiter.
Juan Martin Koch
Ralf Beil, Peter Kraut und Institut Mathildenhöhe Darmstadt (Hrsg.): A House full of Music – Strategien in Musik und Kunst, Verlag Haatje Cantz, 415 Seiten, E 49,90, ISBN 978-3-7757-3318-2/CD: A House full of Music € 16,80
Der Katalog zur Ausstellung „A House full of Music“ ist fraglos das schönste Lese- und Bilderbuch zur Musik in diesem Jahr. Beginnend bei Arnold Schönberg, den Futuristen, Marcel Duchamp und Erik Satie schlug die Darmstädter Ausstellung einen Bogen bis in die Gegenwart. Der über 400 Seiten starke Bildband zeigt die Neue Musik in ihren Wechselwirkungen zur Gegenwartskunst. Es stimmt einen heute, in einer der Zeit des musikalischen Spezialistentums, fast wehmütig, wenn man beim Durchblättern realisiert, wie nah sich die Künste damals noch kamen, gerade auch in Person der Künstler. Und man ist überrascht, wie stark sich Populäre und Neue Musik bis in die späten 70er-Jahre hinein noch wahrgenommen und gegenseitig beeinflusst hatten.
Andreas Kolb
Manfred Spitzer: Mozarts Geistesblitze. Wie unser Gehirn Musik verarbeitet, Galila-Hörbuch, ISBN-13 978-3-902533-00-5, € 14,95
95 Prozent aller Menschen sind musikalisch. Das behauptet der wohl populärste Hirnforscher Deutschlands, Manfred Spitzer. Doch was heißt es, Musik zu hören, zu machen oder zu lernen? Zentrum unserer gesamten musikalischen „Arbeitsabläufe“ ist das Gehirn, 100 Millionen Zellen des Organs beschäftigen sich allein damit. Wie das geschieht und warum erzählt uns Spitzer im Hörbuch „Mozarts Geistesblitze“. In leicht verständlichen und unterhaltsamen Worten erklärt er, dass Musik in allen Regionen des Gehirns stattfindet. Rhythmus beeinflusst das motorische System, Klang das Hörzentrum, Text das Sprachzentrum und nicht zuletzt wird das emotionale Zentrum angesprochen. Alle, die sich für die „musikalischen“ Abläufe in unserem Kopf interessieren, sollten sich dieses Hörbuch zulegen.
Barbara Lieberwirth
Jens Rosteck: Hans Werner Henze. Rosen und Revolution. Die Biographie. Propyläen/Ullstein, 2012, 576 S., ISBN 978-3-549-07350-6, € 26,59,
Spannend, bewegend, anrührend; denn es ist unser Jahrhundert. Einer seiner berühmtesten Passagiere ist uns gerade abhanden gekommen. Jens Rosteck liefert die Rückschau, dem Anschein nach sehr gewissenhaft nachgezeichnet: die von Polemiken und Kontroversen reiche Lebens- und musikalische Vita des bekannten und auch des unbekannten Hans Werner Henze, „Deutschlands Vorzeigekomponist“, Enfant terrible, selbst bestimmter Außenseiter. Sein in vielerlei Hinsicht zwiespältiges, widersprüchliches grenzüberschreitendes, oft missverstandenes Wesen wird hier in seinen diversen Rollen und Szenerien, in die er zeitweise geschlüpft ist oder hineingedrängt wurde, aufgedeckt, enträtselt, interpretiert, kommentiert. Rostecks Bilanz lässt so in 15 Kapiteln die künstlerischen Höhen, fast mehr die mächtigen Gefälle dieses gesellschaftskritischen Sonderlings nachvollziehen.
Eckart Rohlfs
Riemann Musiklexikon in 5 Bänden, 13. überarbeitete, aktualisierte und ergänzte Neuausgabe, hrsg. v. Wolfgang Ruf, Schott, 2012, 2.532 S., €169,00 (ab 1.2.2013: € 229,00), ISBN 978-3-7957-0006-5
Der Klassiker, seit 130 Jahren der Markenname für seriöse musikalische Nachschlagewerke, ist in seinem Segment nach wie vor konkurrenzlos in seiner breiten Ausrichtung und bleibt – auch in digitalen Zeiten – das unentbehrliche Lexikon für einen Nutzerkreis, der vom Liebhaber bis zum Profi in Sachen Musik reicht: Der kleine Bruder der umfassenden MGG, eben kurz und prägnant (auf Grundlage des populären „Brockhaus Riemann“ erarbeitet), mit teils doch recht ausführlichen Literaturverzeichnissen, vor allem aber gut finanzierbar und – nebenbei gesagt – auch noch ohne Probleme unter dem Weihnachtsbaum unterzubringen.
Michael Wackerbauer