Vroni Priesner, Doris Hamann (Hrsg.): Laut, Geste, Klang. Räume öffnen in elementaren musikalischen Gestaltungsprozessen. Beiträge zur ästhetischen Bildung. Klimperbein Verlag, Hersbruck 2004. 198 Seiten, 15 Arbeitsblätter, € 39,90, ISBN 3-9809236-1-4
Mit dem Werk „Laut, Geste, Klang“ stellt ein Team von Autorinnen in mehreren Beiträgen Wege des Künstlerischen Gestaltens in der Elementaren Musikpädagogik vor. Damit wird ein Thema aufgegriffen, das auch für verwandte Bereiche interessant sein könnte. Gleich zu Beginn liest man: „Lasst uns mit der Neugier von Kindern die Entdeckungsreise durch die imaginären Räume von Kunst beginnen, indem wir zunächst Räume in uns selbst öffnen: Atem- und Resonanzräume, Bewegungsräume, Klangräume, Spielräume des Handelns und Denkens.“ Diese „Reise“ kann in fünf Heften, die farbig unterschiedlich gestaltet in einem Schuber zusammengefasst sind, gedanklich nachvollzogen werden.
Was erfährt man auf dieser Reise? Beim ersten Durchblättern und Anlesen kommt Irritation auf. Wo werden welche Inhalte in gedanklicher Konsequenz entwickelt? Es gibt freie Flächen, einige Gedichte, eine Sammlung kunsttheoretischer Zitate, graphisch gestaltete Arbeitsblätter mit Übungen, fantasieanregende Zeichnungen und Fotos von Inszenierungen. Doch schnell wird deutlich, dass es den Autorinnen offensichtlich ein Anliegen ist, auf diese Weise den Blick beim Studieren der Beiträge zu weiten. Hierfür sorgen die Gestaltung ebenso wie die Bezeichnungen der einzelnen Hefte mit „Entrée“, „Atelier“, „Bibliothek“, „Kinderzimmer“ und „Spielräume“. Offensichtlich soll der Leser sowohl zum rational-logischen als auch assoziativ-fantasievollen Mitvollziehen des Inhaltes angeregt werden. Während das „Atelier“, das „Kinderzimmer“ und die „Spielräume“ die Praxis veranschaulichen, findet man in der „Bibliothek“ theoretische Beiträge. Bereits in den Leitgedanken des „Entrées“ wird deutlich, dass es den Autorinnen nicht „um das Einüben und Reproduzieren von bereits geschaffenen Werken geht“. Vielmehr sollen die Studierenden selbst im kreativen Gruppenprozess ein neues Werk künstlerisch (mit-)gestalten. Ein Kunstwerk jeglicher Gattung wird verglichen „mit einem architektonisch vollkommenem Bauwerk“. Dieses soll im künstlerischen Prozess durchdrungen und erforscht, gleichsam „Stein um Stein“ abgetragen werden, um so zu seiner Essenz, seinen Kompositionsprinzipien und -hintergründen vorzudringen. Aus diesem „Material“ und den damit verbundenen Erfahrungen soll etwas Neues geschaffen werden. Für diesen Weg können Werke aus allen Kunstrichtungen dienen und gegebenenfalls im Schaffensprozess miteinander verknüpft werden. Die Pädagogen haben dabei die Aufgabe, „Gestaltungsprozesse zu planen, zu initiieren und durchzuführen“, so dass die Studierenden durch Explorieren, Improvisieren und Gestalten eigene Ausdrucksformen entwickeln.
In allen Beiträgen wird das Anliegen der Autorinnen deutlich, Ziele, Inhalte und Formen einer „Künstlerischen Praxis“ der Elementaren Musikpädagogik darzustellen. In der „Bibliothek“ beleuchten sie diese unter theoretischen Aspekten und geben damit für eine kritische Diskussion hilfreiche Ansätze, die freilich nicht erschöpfend sind. Besonders das in allen Beiträgen betonte prozessorientierte Handeln erfordert „Situationen, die sich an Modellen künstlerischer Schaffensprozesse orientieren (…), die in Inhalten, Vorgehensweisen und emotionalen Qualitäten denen des Kaleidoskops entsprechen.“ Um diese sinnvolle Absicht zu verwirklichen, wäre es notwendig, neben der theoretischen Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und Komposition ebenso grundsätzliche Gedanken zu den psychischen und sozialen Prozessen des Individuums und der Gruppe aufzugreifen. Diese werden zwar in den „Spielräumen“ in gelungener Weise eingeflochten (methodisch/pädagogische, inhaltliche, psychologische Gesichtspunkte, Sozialverhalten/Gruppenprozesse), hätten aber neben den bereits genannten Themen in der Bibliothek ebenso grundlegend verarbeitet werden können. Die Dokumentationen aus der Praxis beeindrucken dadurch, dass sie sich nicht auf die Beschreibung einzelner Übungen beschränken, sondern konsequent den „produktiv-schöpferischen“ Weg aufzeigen. Auch wenn viele Beispiele bereits aus verwandten Bereichen, wie etwa Rhythmik, Spielpädagogik oder Tanz bekannt sind, bieten sie dem Leser aufgrund ihrer intermedialen Verknüpfungen und prozessorientierten Darstellung wertvolle Anregungen.