Ernst u. Hans P. Ströer: Das MusikHörBuch. Vom passiven zum aktiven Musikgenuss, Schott, Mainz u.a. 2008, 214 S., € 14,95, ISBN 9783795701833
Der iTunes-Store von Apple bietet zurzeit mehr als sechs Millionen Musikstücke zum Download an: das heißt bei einer durchschnittlichen Länge von fünf Minuten könnte man 500.000 Stunden Musik am Stück hören, also 57 Jahre lang – ununterbrochen. Zudem sind wir einer ständigen musikalischen Dauerberieselung ausgesetzt, die uns ein aktives bewusstes Musikhören immer schwieriger macht. Diese beiden Tatsachen haben die Ströer Bros., das sind die beiden Musiker, Komponisten und Produzenten Ernst und Hans P. Ströer, wohl zu ihrem ersten Buchprojekt bewegt.
Musik wird dabei wie jedes andere Genuss- oder Lebensmittel behandelt und abgehandelt. Keine komplizierten Musiktheorien werden erklärt oder dargestellt, es geht um den praktischen Umgang mit dem Musikhören jenseits aller Stilistiken, das in der heutigen Zeit immer mehr zum passiven Dauerspaß zu verkommen droht. Denn wenn wir zum Beispiel das Autoradio anstellen, werden wir mit den Chart-Nummern dauerbeschallt, die oftmals überhaupt nicht zur persönlichen Stimmung oder Vorliebe passen. Im Kaufhaus, in der Fußgängerzone, während der Werbepausen im Fernsehen werden unsere Ohren ungewollt akustisch zugemüllt.
Die Ströers wollen hier Abhilfe schaffen und haben einen anschaulichen, sehr sinnlichen Ratgeber verfasst, der sicherlich für aktive Musiker oder Musikprofessoren überflüssig erscheint, vor allem für junge, im Umgang mit Musik unerfahrene Hörer aber sicher wertvolle Tipps bereithält. Gewürzt mit Anekdoten und persönlichen Erfahrungen erhält der Leser eine Art Führung durch den undurchdringlichen Dschungel, beziehungsweise den weitgehend unerforschten unendlichen Kosmos der Musik.
So erfährt man zum Beispiel, dass Albert Mangelsdorff nach einem Konzert in Indien die gesellige Runde seiner Mitmusiker verlassen musste, weil es nicht möglich war, die Hintergrundmusik abzustellen. Ein Plädoyer für das „Musikfasten“, das heißt das Erleben größtmöglicher Stille zur Vorbereitung des aktiven „besseren“ Hörgenusses wird hier den weiteren Gedankengängen vorangestellt.
Weiter geht’s mit Tipps zum Aufstellen der Stereoanlage und der Lautsprecher, dem Ordnen der Plattensammlung, zum Einberufen von CD-Hör-Abenden mit Gleichgesinnten und Freunden, geeigneter Musik für verschiedene Lebenssituationen wie Essenseinladungen, Autofahrten oder Partys, der „richtigen“ Lautstärke verschiedener Musikrichtungen, zum Konzertbesuch und vielem mehr. Rasant werden die verschiedenen Musikepochen gestreift. Musikbeispiele und ein Literaturverzeichnis vervollständigen den Wegweiser.
Fazit: für Einsteiger und Ver(w)irrte besonders geeignet, auch ein Einsatz im Musikunterricht kann empfohlen werden, aber auch passioniertere und bereits geschulte Hörer können hier fündig werden und anhand praktischer Übungen und neuer Gewohnheiten ihren Musikgenuss – der hier oft mit dem Genuss von Wein verglichen wird – bewusst steigern.
Das bisher nicht mehr erhältliche Album „Nomaden“ von 1985 inklusive einiger bisher unveröffentlichter Stücke aus dem Jahr 1986 wurde neu aufgelegt; hier musizieren die Ströer Bros. zusammen mit dem britischen Poeten, Performance- und Sprechkünstler, Howard Fine, – ein besonderes Hörerlebnis … www.stroerbros.de