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Spiel und Klang (Ulrike Berger, Jule Greiner, Franziska Pfaff, Beate Robie, Katharina Schilling-Sandvoß, Matthias Schwabe, Illustration: Kathrin Uthe), erschienen im Bosse-Verlag 1998.
Nachdem 1985 ein umfangreiches Früherziehungswerk, „Musik und Tanz für Kinder“, bei Schott, das intensiv und begeistert von Kindern und LehrerInnen aufgenommen wurde und schnell starke Verbreitung fand, versucht nun also ein weiteres Werk, die Früherziehungslandschaft mit neuen Ideen und Ansätzen zu bereichern. Zunächst fragt man sich, ob dies im Jahre 1998 überhaupt noch nötig ist, werden doch in ganz Deutschland an rund 35 Konservatorien und Musikhochschulen FrüherziehungslehrerInnen intensiv ausgebildet und auf die Praxis vorbereitet. Beachtet man aber die Tatsache, daß das erste deutsche Früherziehungskonzept (übrigens beim selben Verlag 1970 erstmals erschienen und inzwischen unter dem Namen „Tina und Tobi“ bekannt) zwar immer noch weit verbreitet, obwohl im methodischen wie im inhaltlichen Angebot inzwischen eindeutig veraltert ist, so hat sicherlich ein weiteres aktuelles Werk seine Berechtigung. Spiel und Klang ist nicht nur inhaltlich höchst umfangreich, sondern auch in seinem medialen Angebot. Ein „Ratgeber und Begleiter für Eltern“ schlägt auf 95 Seiten die Brücke zwischen Elternhaus und Musiklehrer/-in. Im Liederbuch „Murmel und Co.“, bereits seit eineinhalb Jahren auf dem Markt, finden sich alle im Konzept enthaltenen Lieder wieder, aber auch noch viele mehr. Direkt dazu erschien eine von vier CDs mit dem Titel „Murmels Lieder“ mit einer Auswahl aus diesem Liederbuch. Die anderen drei CDs ergänzen den Früherziehungsunterricht mit verschiedenen Schwerpunkten: „Musik und Bewegung“, „Musik erzählt“ und „Musik hören“. Allein diese drei CDs sind eine wahre Fundgrube für jeden, der gute und prägnante Musikbeispiele für jede Art von elementarer Musikerziehung sucht – sei es in der Früherziehung, Grundausbildung, im Kindergarten oder in der Grund- und Sonderschule. Für die Früherziehungskinder stellt dieses Konzept drei Kinderbücher zur Verfügung, die nicht wie oft üblich für ein halbes oder ein ganzes Unterrichts-Jahr konzipiert sind, sondern drei Phasen der Entwicklung einer MFE-Gruppe widerspiegeln. So steht zunächst im Kinderbuch 1, „Mi-Ma-Murmel“, das „Kennenlernen“ im Vordergrund. Kinderbuch 2, „Murmelbande“, wird durch den Begriff „Kontakte“ charakterisiert und Kinderbuch 3, „Murmeltheater“, stellt „Projekte“ in den Vordergrund. Lehrerin und Lehrer können also je nach Entwicklungsstand der einzelnen Kindergruppen das Fortschreiten von einem Buch zu anderen variieren. So kann man sich auf sehr unterschiedlichen Wegen diesem neuen Werk nähern, Anregungen aus den CDs oder aus dem Liederbuch holen, die Kinderbücher auf sich wirken lassen, punktuell den Lehrerband lesen oder ihn als Ganzes durcharbeiten. Alle Wege sind sinnvoll, denn die Konzeption ist so offen, durchsichtig und flexibel, daß jede Anregung im Leser weiterwirkt. Besonders zu erwähnen ist die Tatsache, daß es einem Team von 5 Autorinnen und einem Autor gelungen ist, ein Gesamtwerk zu schaffen, in dem gerade die unterschiedlichen Schwerpunkte der einzelnen zu einem geschlossenen Ganzen beitragen. Bei aller Flexibilität ist jedoch auch für klare Strukturen gesorgt. Ein Blick in den Lehrerband bestätigt dies. Im Anhang (S. 326 ff) gibt eine „Synopse“ Übersicht über die Schwerpunkte der 3 Phasen, geordnet nach den in der MFE beziehungsweise in der elementaren Musikpädagogik geltenden Handlungsbereichen Bewegung, Stimme/Sprache, Instrumente, Improvisation, Musikhören, Bausteine (entspricht den musikalischen Parametern), Notation und Sozialverhalten. So erhalten die LehrerInnen einen klaren thematischen Überblick. Die folgende „Checkliste“ (S. 332) dient der individuellen Unterrichtsvorbereitung. Im „Register“ (S. 334) kann man ausgehend von den Handlungsbereichen die Querverbindungen finden zum Kinderbuch, zu den CDs, zum Liederbuch und zu den vorherigen Kapiteln des Lehrerbandes. Ein „Wegweiser durch die Kinderbücher und CDs“ (S. 292 ff) kommentiert jede Seite der Kinderbücher und jedes der über 100 Musikbeispielen mit inhaltlichen und methodischen Anregungen. Das Kapitel „Ideen, Spiele und Anregungen“ (S. 235 ff) bietet eine Sammlung von Spielen, Texten, Liedern und Aktionen verbunden mit dem Einsatz von Materialien. Auch dieses Kapitel ist wieder gegliedert nach den Handlungsbereichen der MFE: Im Abschnitt „Kernlieder“ (S. 169 ff) werden exemplarisch 18 Lieder und deren Erarbeitung im Unterricht dargestellt. Das besondere daran ist, daß für ein Lied immer drei Ausarbeitungen vorliegen, im Schwierigkeitsgrad jeweils den drei Entwicklungsphasen der MFE-Gruppe angepaßt. Diese Ideen zum Umgang mit Liedern und den Verknüpfungen zu allen anderen Handlungsbereichen sollen die LehrerInnen ermutigen, auch andere Lieder für die MFP-Gruppe derart aufzubereiten. Im Kapitel „Aufbau einer Stunde“ (S. 129 ff) folgen nach allgemeinen Hinweisen exemplarisch 11 unterschiedliche Stundenbilder, die wiederum zur persönlichen und individuellen Stundengestaltung anregen sollen. Im Abschnitt „Unterrichtsinhalte“ (S. 63 ff) sind die Handlungsbereiche der MFE im einzelnen beschrieben und im Schwierigkeitsgrad den drei Phasen entsprechend beziehungsweise in Korrespondenz zu den drei Kinderbüchern angeordnet. Die ersten beiden Kapitel „Einleitung“ und „Grundlagen“ schildern ausführlich die konzeptionellen Überlegungen zu diesem Werk. Dabei stehen die altersspezifischen Qualitäten der 4 bis 6jährigen als Wegweiser für die musikalische Früherziehung im Vordergrund. Und diese sind offensichtlich auch der Ausgangspunkt und das Hauptanliegen dieses neuen Unterrichtswerkes. Vielfalt als Prinzip, Lust auf Musik, Musik praktisch erfahren, Lernen im Spiel, Entwicklungsphasen im Unterricht, die Bedeutung der Sprache und die kulturübergreifende Erziehung werden in diesem Kapitel sehr gut ausgeführt. Nicht das Erfüllen eines bestimmten Inhaltskatalogs, nicht eine bestimmte Methode für das musikalisch-bewegungsorientierte Lernen von Kindern, sondern das einzelne Kind und die Kindergruppe stehen als „innere Bezugspunkte“ für eine sinnvolle MFE im Vordergrund. Die hier als „äußere Bezugspunkte“ bezeichneten Lehrerpersönlichkeiten, die Eltern und die Institutionen, die MFE anbieten, werden bewußt und kritisch beleuchtet. Besonders hilfreich in diesem Grundsatzkapitel sind die zahlreichen und aktuellen Literaturhinweise zum Weiterlesen. So enthält der 340 Seiten umfassende Lehrerband eine Fülle von theoretischen wie praktischen Hinweisen, die zum Nachdenken, Hinterfragen, Planen, Vor- und Nachbereiten gleichermaßen anregen. Gerade erfahrene MFE-LehrerInnen und in der Ausbildung von MFE-LehrerInnen Tätige können hier Bestätigung, Ermutigung, aber auch viel Anregung und Neues finden. Die ausführliche Lektüre des Lehrerbandes bedeutet intensive und lohnenswerte Arbeit. Die drei Kinderbücher sind eine Sammlung von Bildern, in denen bewußt auf Noten oder Text aller Art verzichtet wurde. Damit soll die konzeptionelle Freiheit und Eigenverantwortung der MFE-LehrerInnen nochmals betont werden. Auf keiner Seite muß ein bestimmtes Lied oder ähnliches erarbeitet werden, auch die Reihenfolge kann frei gewählt werden. Die Farbqualität der überaus anregenden Bilder von Kathrin Uthe leidet sehr unter der Papiergüte. Das Liederbuch überzeugt durch die Auswahl an neuen und alten Liedern, ergänzt durch passende Spiel- und Bastelideen. Die Harmonisierung einzelner Lieder ist jedoch zu überdenken, es sei denn, es lägen Druckfehler vor, so wie es im Lehrerband leider mehrfach der Fall ist. Daß ausgerechnet das Lied vom Murmeltier am Ende des Liederbuches mit Auftakt beginnt und mit Volltakt endet, sollte doch von den bearbeitenden LektorInnen vor Drucklegung bemerkt worden sein. Bei der CD „Murmels Lieder“ ist das Bemühen um große Abwechslung und Vielfalt in der Bearbeitung und Interpretation spürbar, doch die Qualität nicht immer überzeugend. Bei den drei weiteren CDs sind Auswahl und Qualität der Musikbeispiele höchst gelungen. Ja, und dann noch ein Blick auf das Murmeltier, das als Handpuppe ebenfalls käuflich zu erwerben ist. Sein aufmerksames Verhalten, seine „Pfiffigkeit“ und sein possierliches Gehabe sind sicher Gründe, dieses niedliche Wesen zur Identifikationsfigur für ein MFE-Konzept zu erheben. Warum aber sollen alle Kinder und LehrerInnen das gleiche, nicht sehr gelungene und auch noch schlecht zu handhabende Stofftier liebgewinnen? Sollte man nicht auch da die so viel geforderte Individualität und Kreativität walten lassen.