Dies vorweg: bei dem vorliegenden Band handelt es sich um eine Schrift, die von der Hochschule für Musik und Theater als Dissertation angenommen wurde. Natürlich erwartet man von solch einer Arbeit viele differenzierte theoretische Einblicke und hofft dabei doch immer wieder, dass diese letztlich in der Praxis münden, was hier auch der Fall ist.
Eigentlich geht es um den musikalischen Rhythmus und um die Schwierigkeiten seiner Handhabung im musikpädagogischen Alltag, sei es in schulischen oder musikschulischen Feldern. Hier wird schon deutlich, dass Musikpädagogen jeglicher Couleur von den präsentierten Erkenntnissen profitieren können. Dass der musikpädagogische Umgang mit Rhythmus in der Praxis immer wieder ein Problem darstellt, sieht man schon an den vielen praxisnahen Veröffentlichungen zum Thema. Aber es gibt wenige, die sich die Mühe machen, diesem Problem in Form einer grundsätzlichen Auseinandersetzung auf den Leib zu rücken. Dies allerdings soll hier geleistet werden.
Der Weg dorthin führt über mehrere Schritte. Der erste Schritt ist dabei sehr theoretischer Natur und beschäftigt sich mit der Geschichte der Zeitwahrnehmung, dann aber auch mit der Bedeutung der Zeiterfahrung für den musikalischen Rhythmus. In einem zweiten Schritt geht es um die Bedeutung von Rhythmus und Metrum in der Musik(geschichte). Neben etymologischen Klärungen führt Silke Lehmann den interessierten Leser einmal durch die Geschichte von den Anfängen in der Antike bis weit ins zwanzigste Jahrhundert. Der dritte Schritt bezieht sich dann auf die körperliche Dimension des Rhythmus.
Es geht hier um physiologische Aspekte, um motorische Entwicklungsperspektiven und deren Differenzierung und um die kommunikative Funktion des Rhythmus. In diesem Kapitel wird die Bedeutung des Rhythmus für die Musik und die Musikerziehung immer deutlicher. Mit dem Rhythmus in der Sprache kommt dann in einem weiteren Schritt eine neue Dimension hinzu, gefolgt von Gedanken zur Psychologie der Zeitwahrnehmung und Gedanken zur Neuropsychologie, die mittlerweile in keinem Buch mehr fehlen dürfen. Erst im achten Kapitel rücken die musikpädagogischen Zugänge verstärkt in den Mittelpunkt, die sich aber immer wieder auf vorangegangene Gedanken beziehen. Wenn die hier geäußerten Gedankengänge oftmals auch noch theoretisch betont sind, was aber in der Natur der Sache und der Konsequenz der Arbeit liegt, so folgt zum Schluss doch die Übersetzung in verschiedene Praxisfelder. Das heißt, hier geht es nicht nur darum wie ich die gewonnenen Erkenntnisse in die Arbeit mit Kindern, die hier zwar schon einen besonderen Schwerpunkt bilden, umsetzten kann, sondern auch in die mit Erwachsenen. Gerade diese Beispiele, die teilweise doch sehr kurz sind, zeigen dann wieder, dass selbst ein gutes Buch eine eigenständige und auf den eigenen Unterricht bezogene Auseinandersetzung nicht ersetzen, wohl aber bereichern kann.
Silke Lehmann tastet sich in der gut aufgebauten Arbeit quasi von außen kommend immer weiter an den musikpädagogischen Kern heran, zieht immer enger werdende Kreise und zeigt so, dass auch theoretische Gedankengänge letztlich für eine sinnvolle Anwendung in der Praxis von Bedeutung sind. Alles in Allem ein sehr zu empfehlendes Werk.