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Gebrauchsmusik im tieferen Sinne

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Begleitpublikationen zum Neuen Gotteslob aus dem Carus-Verlag
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Wie im Interview der Juni-nmz mit ACV-Vizepräsident Reiner Schuhenn sehr deutlich wurde (Seite 30), ist die Einführung des Neuen Gotteslobes in der deutschsprachigen katholischen Kirche ein kirchenmusikalisch einschneidendes Ereignis ersten Ranges. Dementsprechend verdienen die Begleitpublikationen für Chöre zu diesem Gebet- und Gesangbuch besondere Aufmerksamkeit auch außerhalb des kirchlichen Dunstkreises, gehen von ihnen doch wertvolle Impulse für die nicht zuletzt in kirchlichen Chorgruppen beheimatete Chorkultur des Alltags aus.

  • Chorbuch Gotteslob
    Chorleiter-Paket CV 2.160 mit Chorleiterband, Orgelbegleitband und CD.
    Dazu erhältlich Aufführungsmaterial SATB (CV 2.161), SAM (CV 2.162), SSA (CV 2.163), Kinderchor/ergänzender Frauenchor (CV 2.164), Orgelbegleitband (CV 2.160/20).
  • Motettenbuch zum Gotteslob
    Chorleiterband mit CD (CV 2.170), editionchor (CV 2.170/05).

Der Carus-Verlag hat mit den beiden oben genannten Chorbüchern einen Aufschlag gemacht, der sowohl in der Fülle als auch von der Idee her überzeugt und den Anforderungen der kirchlichen Chorlandschaft gerecht wird. Die editorische Tat alleine verdient hohe Anerkennung!

Das Baukastensystem des „Chorbuches Gotteslob“ besticht durch den in circa 150 Sätzen durchgehaltenen Grundsatz, jeweils voll kompatible Sätze für SATB, SAM, SSA und Kinderchor mit fakultativer Orgelbegleitung bereitzustellen, die abwechselnd oder gleichzeitig, mit oder ohne Gemeindebeteiligung gesungen werden können. Auf der CD ist schön zu hören, welch farbige Gestaltung eines mehrstrophigen Liedes dadurch möglich ist. Das vorrangige Ziel, den Gemeindegesang dadurch zu inspirieren, Chöre als belebendes Element für eine gemeindegetragene Liturgie (und nicht als separat agierenden Fremdkörper in derselben) einzusetzen, wird voll und ganz erreicht. Wie in jedem Chorbuch gelingt dies satztechnisch und klanglich mal voll überzeugend, mal solide, im Einzelfall auch weniger; in der Summe aber geht der Daumen hoch: Es ist eine Fülle sehr dankbarer und guter Sätze zusammengekommen.

Ein Wort noch zu einer – man möchte fast sagen für Kirchenmusiker typischen – Diskussion unter den Rezipienten: In Fachartikeln und auf Tagungen wird heiß diskutiert, ob nun die Zeit vorbei sei, da man auf Quint- und Oktavparallelen zu achten habe oder nicht. Richtig ist, dass gerade das Baukastensystem zu solch unübersehbaren satztechnischen Fehlern führt – und der Rezensent macht auch keinen Hehl daraus, dass ihm „saubere“ Sätze lieber sind als solche mit Parallelen, auch in Gebrauchsmusik. Allerdings ist insofern nicht Parallele gleich Parallele, als nicht jede gleichermaßen den Höreindruck trübt. Deshalb wird die gut geübte Praxis manche „fehlerhaften“ Sätze stillschweigend lächelnd musizieren lassen, andere vielleicht auch einfach nicht; eben wie in jeder Chorsammlung.

Das Motettenbuch wiederum soll ambitionierten Kirchenchören neu komponierte Werke für vierstimmigen Chor bieten, die formal und musikalisch über den bloßen Liedsatz hinausgehen, technisch höhere Ansprüche stellen. Die 37 Stücke sind in vielerlei Hinsicht höchst unterschiedlich ausgefallen. Vom Repertoirewert her betrachtet finden sich teils echte Entdeckungen, teils aber auch Stücke, die man nicht unbedingt gebraucht hätte. Ohne alle Werke im Detail besprechen und werten zu können, sei als ein Beispiel „Nun danket alle Gott“ genannt, denn es ist besonders schade, dass ausgerechnet das einzige Stück nicht überzeugt, das für die Besetzung SATB plus Kinderchor plus Klavier plus Percussion gesetzt ist. Der kirchenmusikalischen Praxis würde es sehr helfen, wenn man vom hergebrachten (und aller Ehren werten!) „Chor plus Orgel“ aus die Besetzungen etwas weiten würde und damit den neuen und nicht nur schlechteren Zeiten Rechnung tragen würde. Das zweite Beispiel hingegen zeigt, dass sich die Kritik nicht an „alt“ oder „neu“ festmacht: Auch die Bearbeitung „Wir, an Babels fremden Ufern“ (eine Zusammenführung von BWV 12 „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ mit dem Lied) überzeugt nicht voll, obwohl die zugrundeliegende Idee ja sehr sinnfällig ist. Bei aller Kritik im Detail finden sich aber eben auch Stücke wie die schöne Zusammenführung des „Ite missa est“ mit dem Lied „Bewahre uns Gott“ oder eine Pietà über „Freu dich, du Himmelskönigin“ und viele andere. Für Chorleiter/-innen, die kritisch auszuwählen wissen, also eine sehr wertvolle Publikation.

Eine letzte Anmerkung zu den CDs: Bis auf wenige (erstaunliche) Ausnahmen sind das sehr schöne, vor allem mit Geist und Seele musizierte Aufnahmen, die für die jeweiligen Sätze/Motetten einnehmen können. Dass konsequent die Tonarten gewählt sind, die mit dem Gemeindegesang korrespondieren, ist gut und wichtig – auch wenn dadurch natürlich dem ein oder anderen Satz etwas an Glanz genommen ist, den er einen Ton (oder noch) höher entfalten könnte. Aber es ist dies alles eben im besten und tieferen Sinne Gebrauchsmusik und damit ein wertvoller Beitrag zu unserer Gesangs- und Chorkultur.

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