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Irmgard Merkt: Musik – Vielfalt – Integration – Inklusion. Musikdidaktik für die eine Schule, ConBrio, Regensburg 2019
Irmgard Merkt: Musik – Vielfalt – Integration – Inklusion. Musikdidaktik für die eine Schule, ConBrio, Regensburg 2019
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Grundlagenwerk zu einer zentralen Thematik

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Irmgard Merkt legt ihre „Musikdidaktik für die eine Schule“ vor
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Das Buch von Irmgard Merkt vermittelt Zuversicht und macht Lust darauf, sich mit der Frage zu befassen, welche Möglichkeiten einem zur Verfügung stehen, um ein Unterrichtskonzept zu entwickeln und zu verfolgen, das dazu geeignet ist, auf die Verschiedenheit von Schülerinnen und Schülern zu reagieren. Es mag daher nicht erstaunen, dass im Zusammenhang mit der von der Autorin aufgeworfenen Frage, ob es vielleicht Zeit werde, Musikunterricht ganz neu zu denken, auch das „Unterrichtsfach Glück“ sowie eine „Wertschätzende Schulentwicklung“ behandelt werden. Und der Abschnitt zum Thema „Unterrichtskulturen“ ist mit den Worten „Happy Teachers Change the World“ überschrieben.

Die Perspektive, die von Merkt unter anderem unter Bezug auf die „Entwicklungslogische Didaktik“ und das Lernen, Arbeiten und Kooperieren am „Gemeinsamen Gegenstand“ Georg Feusers entwickelt und in einem Konzept unter der Überschrift „Mit einer Frage um die Welt“ gefasst wird, stellt das Unterrichtsprinzip des Vergleichs in den Mittelpunkt. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Anspruch, die „Chance zur Entwicklung eines Bewusstseins für Gleichheit in der Verschiedenheit“ (S. 255) in einem schulischen Musikunterricht zu nutzen, der „die Eigentätigkeit der Schülerinnen und Schüler in forschender Reflexion und musikpraktischer Tätigkeit betont“ (S. 291). Unverzichtbar ist hierbei die unter Bezug auf die Sozialphilosophie entfaltete Kategorie der Anerkennung. Dabei handelt es sich bei dem Text keineswegs um schwer verdauliche theoretische Kost, sondern um ein gut lesbares Werk, in dem Theorieverweise dazu dienen, handfeste Probleme einer pragmatischen Lösung zuzuführen.

Der „Entwurf einer Musikdidaktik für die inklusive Schule“ erfolgt in sieben Kapiteln von denen die ersten vier den Leserinnen und Lesern die Gelegenheit bieten, sich mit grundlegenden Begriffen und Themenfeldern zu befassen. Im Zentrum stehen hierbei „Inklusion“, die historische Entwicklung des Fachs Musik in der „besonderen“ Schule inklusive eines Rück- und Ausblicks in Bezug auf die damit verbundene Lehrerbildung, „Integration“ und die „Interkulturelle Musikpädagogik“. Beeindruckend und sehr wertvoll ist hier wie im gesamten Band die überbordende und dennoch verständlich und komprimiert dargestellte Materialfülle. Gleichzeitig führt diese Fülle dazu, dass es nicht immer leicht ist, den roten Faden in der Darstellung auszumachen, da innerhalb der Themenblöcke stets eine Vielzahl von Initiativen, Akteurinnen und Akteuren, Best Practice Beispielen, Argumenten und Quellen angeführt und zum Teil bereits ausführlich besprochen werden. Dadurch wird der jeweilige Gegenstand zwar in seinen vielfältigen Bezügen lebendig, gleichzeitig wird aber manches vorweggenommen und gesetzt, ohne dass es in seiner Bedeutung bereits eingehender diskutiert wurde.

Das folgende fünfte Kapitel steht unter der Überschrift „Unterrichts- und Schulkulturen“ und stellt eine Überleitung und Gelenkstelle für die Entfaltung der von Irmgard Merkt entworfenen Musikdidaktik dar. Hier werden für das Konzept grundlegende Aspekte wie Anerkennung sowie Missachtung im Musikunterricht, „Forschendes Lernen“ beziehungsweise Projektunterricht und das Konzept der „Wertschätzenden Schulentwicklung“ dargestellt und besprochen. Dass mit der Gestaltung von „Unterrichtskulturen“ Ansprüche an Lehrende verbunden sind, wird auch im siebten und abschließenden Kapitel deutlich, wo diese Überschrift nochmals auftaucht: „Die Unterrichtskultur, die aus einer wahrnehmbaren Zuneigung zum Fach, zu sich selbst und zu den Lernenden erwächst, ist eine der Anerkennung und Motivation: Nur so kann der Funke überspringen.“ (S. 286)

Im sechsten Kapitel steht der „Gegenstand“ Musik im Zentrum, der aus vielfältigen Perspektiven in den Blick genommen wird. Hier begegnen uns unter der Überschrift „Physik und Natur“ unter anderem vielfältige Möglichkeiten, Schwingungen und Wellen in faszinierenden „Klangfiguren“ abzubilden und es werden Beispiele dafür gegeben, wie sich derartige Formen in künstlerischen Gestaltungen wiederfinden und als Ausgangspunkt für Gestaltungen dienen können. Bei der Untersuchung unterschiedlicher „Entwicklungspfade“ der Musik wird die Frage nach ihren universalen Eigenschaften differenziert dargestellt und ihre Entwicklung in der Menschheitsgeschichte sowie der individuellen menschlichen Entwicklung diskutiert. Musik erscheint damit in einer vielgestaltigen Einbettung in natürliche Lebensvollzüge, woraus vielfältige Anknüpfungspunkte für lebendige, zugewandte und kooperative musikalische Gestaltungsmöglichkeiten abgeleitet werden.

Im abschließenden siebten Kapitel nimmt das musikdidaktische Konzept konkrete Gestalt an. Zentrale Säulen sind hierbei in den vorangegangenen Kapiteln entwickelte Aspekte wie der Bezug auf Georg Feuser, die in der Auseinandersetzung mit dem Gegenstand Musik exemplarisch entfaltete Interdisziplinarität und ein Projektunterricht im Sinne Forschenden Lernens. Unter der Überschrift „Entwicklungslogik II“ wird ein „entwicklungslogischer Musik­unterricht“ entworfen, der von der Sache beziehungsweise „von den Entwicklungsgängen und -logiken der Musik in der Kulturgeschichte her gedacht“ (S. 258) wird. Die hiermit verbundene Behandlung und Klärung der Bereiche „Musikbegriff“, „Musikgebrauch“ und „Musikmaterial“ wird anschließend in einem „Querlagen-Konzept“ mit dem Titel „Mit einer Frage um die Welt“ anhand von drei Themenbeispielen exemplarisch veranschaulicht. Zusätzlich werden vielfältige, Kunstsparten übergreifende Beispiele gegeben. Zentral sind hierbei die bereits angesprochene Eigentätigkeit in forschender Reflexion und die musikpraktische Tätigkeit der Schülerinnen und Schüler. Sie erbringen in der gemeinschaftlichen Auseinandersetzung mit musikalischen und musikbezogenen Phänomenen ihren Entwicklungsständen entsprechende Leistungen und tragen damit zu einer kooperativen Herstellung und Erweiterung des gemeinsamen Weltverständnisses bei. Die Kapitel werden jeweils durch eine abschließende, kurze und gut lesbare Zusammenfassung abgerundet.

Irmgard Merkt scheut nicht vor deutlichen Worten zurück, was anhand des obigen, die Unterrichtskulturen betreffenden Zitats exemplarisch nachvollzogen werden kann. Bemerkenswert erscheint vor diesem Hintergrund insbesondere ihre Verwendung der Begriffe „Inklusion“ und „Integration“. Einerseits stellt sie fest, dass die beiden Begriffe beziehungsweise gesellschaftlichen Themen zusammen gedacht und bearbeitet werden sollten (S. 145), was sie selbst mit ihrem Ansatz auch einlöst. Andererseits verweist sie darauf, dass die Begriffe ihrer Ansicht nach trotz weitreichender Überschneidungen bislang nicht in einem weiten Verständnis von Inklusion zusammengeführt werden konnten, „da der Inklusionsbegriff im öffentlichen Gebrauch bereits mit Menschen mit Behinderungen verbunden ist“ (S. 144). Hieraus ergeben sich Aussagen wie die folgende: „Integration scheint ein ,freiwilligeres‘ Thema zu sein als Inklusion. Die Auseinandersetzung mit den musikalischen Herkunftskulturen der Schülerinnen und Schüler ist musikaffiner und damit ,fachbezogener‘ als die Auseinandersetzung mit Behinderung“ (S. 260). Hierzu sei Georg Feuser zitiert: „Was mir als einer der vielen Widersprüche der Inklusion im Bildungssystem auffällt, ist, dass man mit der – ich nenne es hier so – ‚Behinderteninklusion‘ eine Art eigenes Feld aufgemacht hat, wie parallel dazu mit der ‚Migrantenintegration‘ (…). Auch da kann ich nur kopfschüttelnd die Frage stellen, welches Verständnis von Integration und Inklusion sich da verselbstständigt hat und wem das letztlich dient.“ (Frank J. Müller: Blick zurück nach vorn – Wegbereiter/-innen der Inklusion, Band 2, Gießen 2018, S. 138) Daneben wäre aus einer theoretischen Perspektive wohl auch noch eindeutiger zu klären, inwieweit eine Übertragung des auf individuelle Lern- und Bildungsprozesse anzuwendenden entwicklungslogischen Prinzips Feusers auf den Gegenstand Musik trägt. Unabhängig davon eignen sich die vorgelegten „Gedankenketten“ (S. 278) für diejenigen, die sich bereits auf dem Weg befinden oder sich auf den Weg machen wollen, den Musikunterricht neu zu denken, als wertvoller, Orientierungen bietender Begleiter. Insgesamt handelt es sich bei dem Buch von Irmgard Merkt um eine gewichtige Wortmeldung – um ein Grundlagenwerk zu einer zentralen Thematik gegenwärtiger Musikdidaktik. Eine Auseinandersetzung mit dieser Stimme lohnt sich.

  • Irmgard Merkt: Musik – Vielfalt – Integration – Inklusion. Musikdidaktik für die eine Schule, ConBrio, Regensburg 2019, 349 S., Abb., € 34,90, ISBN 978-3-940768-84-1

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