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Otfried Richter: Werner Wolf Glaser (1913–2006). Exilkomponist und Musikpädagoge
Otfried Richter: Werner Wolf Glaser (1913–2006). Exilkomponist und Musikpädagoge
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Immense Vielfalt in Schaffen und Wirken

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Wieder entdeckt und gewürdigt: der Exilkomponist Werner Wolf Glaser
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Werner Wolf Glaser (1913–2006) ist einer jener lange Zeit vergessenen Komponisten, die aufgrund ihrer politischen Haltung oder jüdischen Abstammung das nationalsozialistische Deutschland ab 1933 verließen beziehungsweise verlassen mussten. Die Rezeption ihrer Werke erfuhr durch Emigration und Exil oft einen Bruch; erst seit etwa drei Jahrzehnten wird der sogenannten „verfemten Musik“ (vgl. „Zentrum für verfemte Musik an der Hochschule für Musik und Theater Rostock“) vermehrt in Wissenschaft und Praxis Gehör verschafft (u.a. „Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit“, CD-Reihen „Forbidden. Not forgotten“, „KZ Music“, „The Terezin Music Anthology“).

Der Musikpädagoge und Leiter der Memminger Sing- und Musikschule, Otfried Richter, hat es sich seit Mitte der 1990er-Jahre zur Aufgabe gemacht, den nach Dänemark und dann Schweden emigrierten Komponisten, Dirigenten, Pianisten, Musikpädagogen, Musiktherapeuten und Musikvermittler Werner Wolf Glaser einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Ausgangspunkt war die persönliche Bekanntschaft, aus der eine intensive Freundschaft hervorging (und die von Richter manchmal etwas zu detailverliebt beschrieben wird). In deren Folge hatte Richter uneingeschränkten Zugang zu Archiv und Musiksammlung Glasers und stieß nicht nur einige Ur- und Wiederaufführungen in Schweden und Deutschland an, sondern erstellte auch ein wissenschaftliches Werkverzeichnis und die vorliegende Monographie. Rechnet man die musikpädagogischen Werke dazu, so ergibt sich ein Bestand von über 1.000 Werken Glasers, darunter Opern, Motetten, Lieder, 13 Sinfonien, zahlreiche Konzerte und Kammermusik, insbesondere auch für Saxophon und für Flöte.

Der immensen Vielfalt im Schaffen und Wirken Glasers entsprechend vereint Richter verschiedene Aspekte in seiner Monographie. Der erste Teil widmet sich Leben und Werk Glasers, der nach Ausbildung in Köln (u.a. bei Philipp Jarnach) mit seiner Frau nach Frankreich (1933), dann Dänemark (1934) und Schweden (1943) floh, wo er schließlich bleiben konnte, eine Familie gründete und zu einem der bedeutendsten Musikpädagogen und Komponisten des Landes wurde. In seiner zweiten Heimat Västerås gründete Glaser mit zwei Mitstreitern eine Musikschule, die er bis Ende der 1970er-Jahre zur größten Schwedens ausbaute. Er widmete sich besonders dem Blockflöten- und Klavierunterricht, gab Lehrwerke heraus und war auch in der Erwachsenenbildung engagiert (u.a. Radiosendungen) – ein eigenes zweites Kapitel ist dem Musikpädagogen Glaser gewidmet.

Neben seiner Lehr- und auch bald Dirigententätigkeit schuf Glaser nach und nach in nahezu allen Gattungen ein umfangreiches und gewichtiges kompositorisches Œuvre, war Mitglied und im Vorstand des schwedischen Komponistenverbands und wurde aufgrund seiner großen Verdienste um die Musikkultur Schwedens von König Carl XVI. Gustaf ausgezeichnet.

Der dritte Teil „Dokumente“ bietet einige sehr interessante Beiträge zu Glasers musikalischen Anschauungen (u.a. seine Ausführungen zu „Musik als Sprache“), die auch in einem Interview mit Kolja Lessing berührt werden. Zeitungsrezensionen in Auswahl lassen immer wieder die Ambivalenz in der Beurteilung von Glasers Kompositionen aufscheinen – er ist stilistisch schwer zu fassen (Hindemith wird einige Male als Bezugsgröße genannt, vgl. etwa S. 116f.). Glasers „modernis-tische“ Tonsprache (S. 113) erscheint zwar klar, aber eher abstrakt, ein Eindruck, der indirekt auch durch Philipp Jarnachs briefliche Anmerkungen (1946 bis 1948) bestärkt wird. Den größten Teil der Dokumente nimmt der Briefwechsel (zwischen 1939 und 1983) mit dem bedeutenden und mit Glaser befreundeten Saxophonisten Sigurd Manfred Raschèr (1907–2001) ein, der unter anderem die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte von Glasers Saxophonwerken beleuchtet.

Ein Kurz-Verzeichnis der Kompositionen und musikpädagogischen Werke Glasers sowie Bibliographie und Namensregister (hier stimmen ein paar Seitenverweise nicht, zum Beispiel bei Brahms und Wirth, außerdem: „Weill, Kurt“ statt „Weil, Kurt“) runden den interessanten und vielschichtigen Band ab.

  • Otfried Richter: Werner Wolf Glaser (1913–2006). Exilkomponist und Musikpädagoge. Lebensabschnitte und Werkauszüge, mit einem ausführlichen Briefwechsel mit Sigurd Raschèr und Philipp Jarnach. Vorwort von Kolja Lessing (Würzburger Hefte zur Musikpädagogik, Bd. 5), Margraf Publishers, Weikersheim 2014, 224 S., Abb., Notenbsp., € 35,00, ISBN 978-3-8236-1671-9

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