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Ralph Bollmann: Walküre in Detmold.
Ralph Bollmann: Walküre in Detmold.
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Lob der Provinz und ihrer Musentempel

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Deutschland und seine Opernhäuser: Ralph Bollmann hat sie alle besucht
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Ralph Bollmann: Walküre in Detmold. Eine Entdeckungsreise durch die deutsche Provinz, Klett-Cotta, Stuttgart 2011, 285 S., € 19,95, ISBN 978-3-608-94621-5

Fasziniert und ein wenig neidisch schlägt man dieses Buch auf und legt es dann ungern wieder aus der Hand. Ralph Bollmann hat tatsächlich über zehn Jahre lang Deutschland kreuz und quer bereist, um nach und nach alle Opernhäuser zu besuchen. Sein Vorhaben ist ebenso brillant wie einleuchtend: Ausgehend von der Historie und gegenwärtigen Situation der Theater breitet der Autor ein Panorama deutscher Stadtkultur aus. Zugute kommt dem studierten Juristen und Historiker Bollmann sein Hintergrundwissen in deutscher Geschichte und seine scharfe journalistische Beobachtungsgabe.

Auf diese Weise nähern wir uns zusammen mit ihm den über 80 Städten auf vielfältige Weise: Die nur bisweilen etwas zu lang geratenen historischen Exkurse gehen ungezwungen in städtebauliche Impressionen, Anekdoten aus dem örtlichen Gaststätten- und Hotelgewerbe und schließlich in handfeste kommunal- und kulturpolitische Beobachtungen über. Bollmann zeigt sich über die Rahmenbedingungen der Häuser immer wieder gut informiert und integriert dieses breite Panorama in seine Eindrücke von den besuchten Aufführungen. 

Dass Bollmann nicht „vom Fach“ ist, macht also zweifellos einen wichtigen  Bestandteil dieses originellen und gelungenen Zugriffs auf die Materie aus. Auf der anderen Seite wird seine Entscheidung, sich den Blick von außen nicht durch ein intensiveres Eintauchen in den eigentlichen Opernbetrieb trüben zu lassen, manches Mal auch zum Problem. Dann nämlich, wenn er über ein paar dürre Sätze zu Inszenierung, Orchester und Sängern nicht hinauskommt. Auch hätte ihn eine etwas genauere Kenntnis der Arbeitsweise in einem Theater davor bewahrt, über den „Betrieb mit seinen auf Lebenszeit bestallten Flötisten oder Bühnentechnikern, Verwaltungsangestellten oder Hausmeistern“ die Nase zu rümpfen, der in seinen Augen „so viel Geld verschlingt, dass für Kunst und Künstler am Ende nichts mehr übrigbleibt“ (S. 36). Vielleicht hat Bollmann einmal Gelegenheit, Vadim Jendreykos Film über die Stuttgarter Parsifal-Produktion zu sehen (siehe nmz 11/2011), der ihn möglicherweise zu einer differenzierteren Bewertung der Verhältnisse inspirieren könnte.

Diese Einwände ändern insgesamt aber nichts an dem Wert dieses Buches, das über eine Hommage an eine einzigartige Opernlandschaft weit hinausgeht und den Kern dessen berührt, was das Selbstverständnis unserer Kultur insgesamt ausmacht.

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