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Catherine Milliken: Klangspuren Lautstark. Aktives Musizieren und Komponieren mit Kindern und Jugendlichen, hrsg. von KLANGSPUREN SCHWAZ Tirol, ConBrio Verlagsgesellschaft, Regensburg 2018
Catherine Milliken: Klangspuren Lautstark. Aktives Musizieren und Komponieren mit Kindern und Jugendlichen, hrsg. von KLANGSPUREN SCHWAZ Tirol, ConBrio Verlagsgesellschaft, Regensburg 2018
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Mit Instrumenten auf schrägen Traumreisen

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Musizieren und Komponieren mit Kindern – ein Praxisband der Klangspuren Schwaz
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Catherine Milliken, Oboistin, Komponistin und Gründungsmitglied des Ensemble Modern, verfügt über einen großen Schatz an Erfahrungen in der musikalischen Vermittlungsarbeit. Sie leitete von 2005 bis 2012 die Education-Abteilung der Berliner Philharmoniker, wo viele zukunftsweisende Projekte entwickelt wurden. Besonders aufgrund ihres partizipativen Ansatzes waren und sind sie impulsgebend für viele, die im Bereich der Konzertpädagogik und Musikvermittlung tätig sind.

Im Rahmen des Tiroler Festivals für neue Musik „Klangspuren Schwaz“ leitet und konzipiert die Autorin seit 2008 eine Komponier- und Musikwerkstatt für Kinder und Jugendliche von 8 bis 18 Jahren, die jedes Jahr im 40 Minuten von Innsbruck entfernten Bergdorf Imsterberg stattfindet. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der „Klang­spuren Lautstark“ gibt sie nun mit dem vorliegenden gleichnamigen Buch einen Einblick in ihre Arbeit und bietet zugleich eine Fülle an Notenmaterial.

Im einleitenden Kapitel wird zunächst das Konzept vorgestellt, dessen zentrale Idee die musikalische Aktivierung der Kinder und Jugendlichen ist, ob sie nun im Ensemble spielen und improvisieren, Musik spielerisch szenisch umsetzen, bewusst hören, Klänge erforschen oder gemeinsam komponieren. Das Sammeln von Erfahrungen mit neuer Musik soll so möglich gemacht werden. Allerdings richtet sich die Musizier- und Komponierwerkstatt an Kinder und Jugendliche, die bereits über eine musikalische Vorbildung verfügen, denn die jungen Teilnehmer müssen mindestens zwei Jahre Instrumental- oder Gesangsunterricht nachweisen. Milliken arbeitet zusammen mit einem Team von Musikpädagogen, die an Musikschulen der Region tätig sind, und erarbeitet vorab im Team anhand eines Jahresthemas das Konzept für die jeweilige einwöchige Sommerwerkstatt. Diese zehn Jahresthemen (2008 bis 2017) werden in dem vorliegenden Band mit jeweils einer kurzen Projektbeschreibung, mehreren Musikstücken und dem kommentierten Programmheft der abschließenden Präsentation dargestellt. Im Anhang (Impressionen) befindet sich eine Auswahl an sehr schönen Farbfotos, die die Atmosphäre der Klangwerkstätten wiedergeben.

Mit den Jahresthemen wird ein Rahmen geschaffen, auf den sich die musikalischen Aktivitäten beziehen, zum Beispiel „Eine schräge Traumreise“, „Was ich gerne mit Freunden mache“, „Zukunft – was wäre…“ „Glocken!“. Das mag einerseits einengend und fast zu programmatisch anmuten, dient aber andererseits dazu, einer Beliebigkeit entgegenzuwirken und ist letztlich kindgerecht gedacht. Schon mit der Ausschreibung können sich die Teilnehmer auf die Musikwerkstatt einstimmen. Von den Dozenten (Catherine Milliken, Michael Schiefel, Dietmar Wiesner) wird jeweils ein Stücke-Fundus (Songs, Riffs und Instrumentalskizzen) mit Bezug auf das Jahresthema komponiert, der dann als Ausgangspunkt für die gemeinsame Arbeit mit den Teilnehmern dient. Diese „Lautstark Noten“ sind in der vorliegenden Publikation abgedruckt, das dazugehörige Inhaltsverzeichnis befindet sich im hinteren Teil des Buches, was sehr unpraktisch ist – es wäre übersichtlicher gewesen, wenn man diese bereits vorne in die Inhaltsübersicht zu den Klangspuren-Beispielen zugeordnet hätte. Sehr hilfreich ist die Möglichkeit, alle Noten und besonders die transponierten Stimmen in B und Es downzuloaden. (Auf der Klangspuren-Lautstark-Homepage befinden sich auch fünf Tonaufnahmen der Gemeinschaftskompositionen aus dem Jahr 2017 zum Nachhören.)

Jedes Jahr wird für „Lautstark“ ein Lied komponiert, dessen Text sich mit dem Jahresthema und auch mit der spezifischen Umgebung um Imsterberg und dem Anlass des gemeinsamen Treffens auseinandersetzt. Speziell diese Lieder sind für den Nutzer des Buches sicher weniger interessant und können allenfalls als Anregung für eigene Texte dienen.

Der Stücke-Fundus wird während des Kurses besonders im sogenannten „Tutti“ eingesetzt, eines von vier Arbeitsmodulen, bei dem es besonders um das gemeinsame Musizieren im großen Ensemble geht. Der Einstieg in die Arbeit erfolgt über „Warm-ups“, ebenfalls mit allen Teilnehmern, die sich anschließend zu kleineren Arbeitsgruppen (die weiteren Module „Kompositionsgruppen“, „Instrumentenfamiliengruppen“) zusammenfinden. Milliken beschreibt zwar sehr ausführlich und überzeugend, wie wichtig die Vorbereitung durch die Warm-ups ist, was hier aber genau gemacht wird, deutet sie nur an – das ist bedauerlich, denn gerade hier wäre ein konkret formulierter Übungs-Fundus wünschenswert.

Fragt sich also, an wen sich dieses Buch richtet und wem es was genau zu bieten hat: Es richtet sich an Musikpädagogen, die im Bereich der Musikvermittlung tätig sind: Man kann von dem reichen und praxiserprobten Erfahrungsschatz Millikens profitieren, kann sehr gut nachvollziehen, wie eine solche Arbeit vorbereitet, strukturiert und organisiert wird. Hierbei ist besonders der klar gegliederte exemplarische Zeitplan im Eingangskapitel hervorzuheben. Auch die dort und auf der Homepage beschriebene Erweiterung des Vermittlungsangebotes („Klangspuren Lautstärker – Barfuß – Mobil“ oder die „Gernsingenden Falschsänger“) zeigt, wie viel kreatives Potential darin steckt und was für eine großartige Vermittlungsarbeit von den Klangspuren Schwaz in Zusammenarbeit mit Milliken geleistet wird, die Vorbild für andere Festivals mit solchen Formaten sein sollte.

Aber die Publikation bietet auch Musikpädagogen an Schulen und Musikschulen einen reichen Fundus an sehr schön gearbeiteten Stücken, die gerade für Einsteiger in die neue Musik geeignet sind, da sie sich überwiegend in harmonisch und rhythmisch vertrauten Klangwelten bewegen. Hier liegt jedoch zugleich ein entscheidender Kritikpunkt: Die Stücke verharren leider auch oft im musikalisch Konventionellen (muss immer ein Rap dabei sein?), dabei bietet doch gerade der Bereich der experimentellen Musik Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit des Sammelns von Erfahrungen mit neuer Musik und der prozessorientierten Arbeitsweise, wie sie hier von Catherine Milliken eingefordert wird.

  • Catherine Milliken: Klangspuren Lautstark. Aktives Musizieren und Komponieren mit Kindern und Jugendlichen, hrsg. von KLANGSPUREN SCHWAZ Tirol, ConBrio Verlagsgesellschaft, Regensburg 2018, 120 S., Abb., Notenbsp., € 19,90, ISBN 978-3-940768-75-9

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