Es herrscht Langeweile im Kinderzimmer der Party-Gesellschaft. Flippige Gimmicks wären zwar genügend da: Die Leinwand, so groß wie ein Werbe-Plakat, der Mega-Pinsel mit Airbrush-Funktion und ein riesiges Flugzeug in schrillem Gelb. Aber Tom mag nicht mehr, er will endlich was Neues erleben. Zum Glück taucht der alte Nick Schadow auf und bringt wie immer eine zündende Idee mit: Er hätte da eine steinreiche Zirkusartistin an der Hand – Tom sollte sie heiraten...
Es herrscht Langeweile im Kinderzimmer der Party-Gesellschaft. Flippige Gimmicks wären zwar genügend da: Die Leinwand, so groß wie ein Werbe-Plakat, der Mega-Pinsel mit Airbrush-Funktion und ein riesiges Flugzeug in schrillem Gelb. Aber Tom mag nicht mehr, er will endlich was Neues erleben. Zum Glück taucht der alte Nick Schadow auf und bringt wie immer eine zündende Idee mit: Er hätte da eine steinreiche Zirkusartistin an der Hand – Tom sollte sie heiraten...Für die Salzburger Festspiele 1996 verlegte Maler Jörg Immendorff Igor Strawinskys „The Rake’s Progress“ in ein poppig-buntes Kinderzimmer mit Tapeten wie von Keith Haring. Das ist fürs Auge erfrischend, aber die mannshohen Ausstattungselemente sprengen fast den Bühnen-Rahmen. Und sie verdecken mitunter, wie gekonnt Regisseur Peter Mussbach die Bordell- und Irrenhaus-Szenen arrangiert. Dazu kommt ein Heer von Affen, das aus jener Bilderserie William Hogarths stammt, die Strawinsky zur Oper inspirierte. Bei Mussbach fungieren sie zuerst als Bühnenarbeiter, werden unversehens immer mehr und am Ende bevölkern sie die ganze Bühne. Was Sylvain Cambreling aus der Camerata Academica holt, passt recht gut zu Immendorffs Farborgie: Keine neue Sachlichkeit und auch keine messerscharfen Rhythmen. Nur die Pauke setzt manchmal bissige Akzente. Ansonsten überwiegen zarte, gelegentlich etwas indifferente Klangmischungen. Auf ihnen spinnt Dawn Upshaw silbrige Vokal-Girlanden, die Cabaletta der Anne wird zum Moment innigster Wonne. Auch Monte Pederson hat aufgesetzte Faxen nicht nötig, um die brutalen Züge Nicks zu modellieren. Und Jerry Hadley dürfte als Tom Rakewell momentan ohnehin unschlagbar sein: Er pendelt, immer hochmusikalisch, zwischen großkotziger Entertainer-Attitüde und infantilem Trotz. Das Ganze bereitet ihm hörbar Vergnügen. Am Ende spielt er doch wieder mit seiner Propeller-Maschine. Tom hebt in ihrem Cockpit ab. Auf dem Heckflügel steht der Name: „Liberty“.Igor Strawinsky, The Rake’s Progress; Dawn Upshaw (Anne Trulove), Jerry Hadley (Tom Rakewell), Monte Pederson (Nick Shadow), Jonathan Best (Trulove), Jane Henschel (Baba the Turk) u.a.; Chor der Wiener Staatsoper, Camerata Academica, Sylvain Cambreling; Regie: Peter Mussbach; Ausstattung: Jörg Immendorff, Bildregie: Brian Large (1996)
Arthaus/Naxos DVD 100 254 (157‘)