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Menahem Pressler/Holger Noltze: Dieses Verlangen nach Schönheit. Gespräche über Musik. edition Körber-Stiftung, Hamburg 2016; 200 S., Abb., € 18,00, ISBN 978-3-89684-177-3
Menahem Pressler/Holger Noltze: Dieses Verlangen nach Schönheit. Gespräche über Musik. edition Körber-Stiftung, Hamburg 2016; 200 S., Abb., € 18,00, ISBN 978-3-89684-177-3
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Musik ist kein Selbstzweck

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Gespräche mit dem Pianisten Menahem Pressler
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Viele Musiker werden nach ihrem Tod zur Legende, manche aber auch schon zu Lebzeiten, so der Pianist Menahem Pressler. Er gehörte dem berühmten Beaux Art Trio an und hat dessen Stil und Spiel wesentlich bestimmt. Als sich das Trio 2008 nach 53 Jahren auflöste, setzte Pressler seine Karriere zum allgemeinen Erstaunen allein fort und gastiert seitdem als Solist und mit Orchestern; in Erinnerung ist das Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker 2014, als der damals 91-jährige Pianist und der um dreißig Jahre jüngere Simon Rattle bei Mozarts letztem Klavierkonzert zu einem bewegenden Auftritt zusammenfanden.

Der Musikwissenschaftler Holger Noltze ( „Die Leichtigkeitslüge“) hat im vergangenen Jahr mit Pressler drei lange Gespräche geführt, die die Hamburger Körber-Stiftung dokumentiert hat. Es wäre naheliegend gewesen, das bewegte Leben dieses 1923 in Magdeburg geborenen, aus einer jüdischen Familie stammenden und 1939 gerade noch vor Kriegsausbruch nach Palästina geflohenen Musikers zu schildern.

Doch die Gesprächspartner haben sich auf eine Reihe anderer thematischer Schwerpunkte geeinigt: zunächst, wie sehr Musik dieses Leben geprägt hat, dann, wie ein möglichst vollkommenes Musizieren erreicht wird und schließlich, welche Bedeutung das Üben, Aufeinanderhören und  Zuhörenkönnen im Ensemble, letztlich auch im Solovortrag (das Hören eigener Empfindungen) als Voraussetzung für ein ideales Musizieren hat und warum jeder Künstler sein gefundenes Ideal auch weitergeben sollte.

Pressler erinnert sich, schon als Kind so intensiv geübt zu haben, dass man ihn mitunter regelrecht vom Klavier wegziehen musste. Mit Dankbarkeit nennt er seine drei Lehrer, die Busoni-Schüler Eduard Steuermann, Eliahu Rudiakov und den großen preußischen Musikreformer der Weimarer Republik Leo Kestenberg (eine eigene spannende Geschichte!), denen er Technik und vor allem richtiges Hören verdanke. Richtiges Hören, das bestimmt sich für ihn durch ständiges Üben, wodurch eine Vorstellung von dem entstehe, was der Komponist gewollt habe: „Vorstellungskraft bildet sich durch das Hören. Durch das richtige Hören“. Das jahrzehntelange Trio-Spiel zwang zu genauem Hören auf die anderen, was nicht immer leicht war, denn oft hatte jeder seine eigenen Vorstellungen, die manchmal schwer vereinbar waren. Anfangs war Pressler der Jüngste, nach und nach wuchs er  in die Rolle des Spiritus Rector hinein und drückte der Gruppe seinen Stempel auf. Harmonie und Spannung, sagt er, prägten gleichermaßen das Spiel. Seine Devise: nie zufrieden sein mit dem Erreichten, nie in Routine verfallen: „Ich war nie eine Routine. Das ist tödlich, denn dann bist du gleichgültig.“

Musik, so seine feste Überzeugung, ist kein Selbstzweck. Wer Schönes in den Künsten für sich entdeckt hat, muss es anderen weitergeben. Das sei das Ethos jedes Künstlers, gerade gegenüber Heranwachsenden: „Man investiert in die Seelen der jungen Leute, die erwachsen werden und die etwas für ihr ganzes Leben darin finden können ... Musik ist nicht für Einzelne oder Wenige. Wir müssen es teilen!“ Es mache ihn glücklich, durch ein Konzert die Zuhörer in eine Gemeinschaft zu verwandeln.

Presslers Aussagen gründen sich auf jahrzehntelange Erfahrungen. Er ist ebenso selbstbewusst („da wusste ich, dass ich gut war“) wie demütig („ein Glück, dass der Kopf noch offen ist. Ich kann lernen“). Sein Gesprächspartner, der dem Band ein überaus freundliches Nachwort beigegeben hat, nennt ihn einen „Tröster“, was Pressler gar nicht ablehnt. Seinem Credo liegt jeder Selbstbezug fern: „Unser Leben hat einen größeren Zweck. Es geht nicht darum, zu zeigen, wie gut wir sind. Dafür werden wir bezahlt. Das Wunderbare ist, dass wir uns hingeben dürfen, um anderen das Herz zu öffnen – Liebe zu entfachen. Ich glaube, darin liegt der Sinn eines Musikerdaseins, für einen alten Musiker und auch für einen jungen.“         

  • Menahem Pressler/Holger Noltze: Dieses Verlangen nach Schönheit. Gespräche über Musik. edition Körber-Stiftung, Hamburg 2016; 200 S., Abb., € 18,00, ISBN 978-3-89684-177-3

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