Margit L. McCorkle: Robert Schumann. Thematisch-Bibliographisches Werkverzeichnis. Hrsg. von der Robert-Schumann-Gesellschaft, Düsseldorf. München (G. Henle Verlag) 2003. ISBN 3-87329-110-4, 1.132 Seiten, € 298,- (Einführungspreis bis 31.12.2003: € 255,-)
„Von einer Publication, welche (bei übrigens geringer innerer Schwierigkeit) soviel Fleiß und Muße erheischt, wie ein Themencatalog, erwartet man mit Recht etwas Tadelloses, ganz abgesehen von dem hohen Preis, welcher dem Käufer überdies ein materielles Recht zu solcher Erwartung gibt.“ Die Ansprüche, die Eduard Hanslick 1860 im ersten Jahrgang der Deutschen Musik-Zeitung an ein Werkverzeichnis stellte, erscheinen zeitlos, auch wenn Margit McCorkle zum Thema „geringe innere Schwierigkeit“ so ihre eigene Meinung haben dürfte. Über die eiserne Arbeitsdisziplin der Wissenschaftlerin, die nach dem Brahms-Verzeichnis von 1984 nun ein zweites Opus dieser Größenordnung vorlegt, waren jedenfalls bei der Präsentation des Bandes in München geradezu haarsträubende Details zu erfahren und so müsste man im Wortsinne schon mehr als früh aufstehen, um ihr nun in Sachen Akribie, Stringenz und Präzision am Zeug zu flicken. Schieben wir also noch einmal Hanslick vor, der 1860, als der Verlag Schuberth & Comp. zum Preis von drei Talern das „Thematische Verzeichnis sämmtlicher in Druck erschienen Werke Robert Schumann’s“ feilbot, noch „manchen billigen Wunsch unbefriedigt“ sah: „Für’s erste ist es nicht ganz vollständig“, monierte er und vermisste neben einigen Chorwerken den gesamten Nachlass, von dem – so Hanslick forsch – der Verleger sich ja wenigstens ein genaues Verzeichnis hätte verschaffen können.
Mit eben diesem Nachlass hat es bei Schumann aber seine besondere Bewandtnis, waltete Clara doch streng und mit wechselhaften Kriterien darüber, welche Werke, gerade aus der angeblich heiklen späten Schaffensperiode an die Öffentlichkeit gelangen und welche dieser vorenthalten werden sollten – das Violinkonzert ist nur das prominenteste und in seiner späteren Rezeptionsgeschichte berüchtigste Beispiel. Und so wäre Hanslick angesichts des bei Henle in Ehrfurcht gebietender Ausstattung erschienenen Verzeichnisses gerade im Hinblick auf den Nachlass wohl schnell das Mäkeln vergangen. In der Tat stellt die nach den Opuszahlen 1 bis 148 und den Werken ohne Opuszahl an dritter Stelle stehende Rubrik „Schumanns Nachlaß: Fragmente und nicht zur Veröffentlichung freigegebene Werke, verschollene Werke und Kompositionspläne“ den vielleicht faszinierendsten Teil des Bandes dar: Nach Gattungen geordnet sind nicht weniger als 163 Schumann’sche Werke oder Beinahe-Werke gelistet, die meisten überraschenderweise für die Bühne. Schumann angesichts projektierter Vertonungen des Nibelungen- oder des Tristanstoffes als verhinderten Wagner neu zu entdecken, wäre sicher übereilt, zeugen die unzähligen Einträge doch zunächst einmal nur von der Suche nach geeigneten Sujets, ein wenig verschieben sich die Schwerpunkte im gängigen Schumann-Bild aber doch.
Neben der Übersichtlichkeit und Detailversessenheit der Einträge zu Entstehung, Quellen und Drucklegung der Kompositionen sind es vor allem die Register, die McCorkles Werk über das unverzichtbare Nachschlagewerk hinaus auch zu einer anregenden Lektüre machen können. Hanslick ist es wiederum, der mit viel Gespür für charakteristische Wesenszüge des Schumann’schen Œuvres indirekt ein Desiderat nennt, das im neuen Verzeichnis auf’s Schönste eingelöst wird: „Manchem mit Schumann noch nicht vertrauten Leser werden bei Durchsicht des Catalogs die vielen, zum Theil seltsamen Ueberschriften auffallen, die der Componist (besonders in jungen Jahren) kleineren Clavierstücken beizufügen pflegte.“ Nachzuschlagen bei McCorkle im Register IV, das die Überschriften zu den Werken für Tasteninstrumente dem Alphabet nach ordnet und so etwa zur Gegenüberstellung gleich oder ähnlich betitelter Stücke aus verschiedenen Schaffensepochen anregt. Denn – auch das wusste schon Hanslick – „nichts kann hilfreicher in die genaue Kentnis eines Meisters einführen, als solch ein Catalog, und nichts vermag wiederum dies Studium so befestigend abzuschließen.“